Aktuell


Vor dem EU-Klimagipfel

Verbände: Vorgeschlagene EU-Klimaziele sind inakzeptabel

Appell an Kanzlerin Merkel und übrige EU-Staats- und Regierungschefs, anspruchsvollen europäischen Klimaschutz voranzutreiben

Gemeinsame Pressemitteilung, 19.3.14

Berlin/Brüssel: Große deutsche Nichtregierungsorganisationen fordern Bundeskanzlerin Angela Merkel und die anderen Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union auf, bei ihrem morgigen Gipfel in Brüssel keine schwachen Klima- und Erneuerbare Energieziele zu beschließen, sondern spätestens im Juni ein deutlich ehrgeizigeres Klima- und Energiepaket zu verabschieden. Die von der EU-Kommission derzeit vorgeschlagenen Ziele für die Reduktion von Treibhausgasen und den Ausbau Erneuerbarer Energien sowie die unverbindliche Absichtserklärung zur Senkung des Energieverbrauchs seien inakzeptabel, kritisierten der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Brot für die Welt, Germanwatch, Greenpeace, MISEREOR und WWF.

Die EU-Kommission schlägt vor, die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent zu senken und den Anteil der Erneuerbaren Energien auf 27 Prozent zu steigern, während sie für Energieeffizienz kein Ziel mehr benennt. Damit würde sich die EU von einer ehrgeizigen Klimapolitik verabschieden und weit hinter dem von ihr zu leistenden Beitrag für eine Eindämmung des globalen Klimawandels zurückbleiben, so die Verbände. Die EU müsse im Juni bei ihrem nächsten Gipfel ehrgeizigere Klimaziele beschließen und dabei sicherstellen, dass diese für den Zeitraum von 2025 bis 2030 noch nachgebessert werden können, fordern die Verbände.

Der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger warnt vor negativen Auswirkungen auf die internationalen Klimaverhandlungen: „Mit zu schwachen Zielen für die Reduzierung der CO2-Emissionen wird die Europäische Union ihre Aufgabe verfehlen, den globalen Klimaschutz voranzubringen. Folgt die übrige Welt diesem Weg, erwärmt sich die Erdatmosphäre mit hoher Wahrscheinlichkeit um mehr als zwei Grad Celsius. Bundeskanzlerin Angela Merkel muss beim Klimaschutz wieder mehr Engagement zeigen, damit die Europäische Union die Herausforderung des globalen Klimaschutzes in ihrer ganzen Tragweite erkennt und angemessen handelt.“

Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin von Brot für die Welt: „Der Klimawandel gilt mittlerweile als der größte Armutstreiber weltweit. Es bedarf deutlicher Anstrengungen, um die ärmsten Menschen vor den dramatischen Folgen wie Dürren und Überschwemmungen zu schützen und sie vor katastrophalen Hungersnöten zu bewahren. Die EU-Klimaziele sind kein glaubwürdiger Beitrag, um die globale Erwärmung unter zwei Grad Celsius zu halten. Und sie bringen zum Ausdruck, dass der EU die Hunger- und Armutsbekämpfung letztlich nicht wichtig ist.“

Regine Günther, Leiterin Klimaschutz und Energiepolitik des WWF: „Mit den Kommissionsvorschlägen zur Sanierung des EU-Emissionshandels wären erst im Jahr 2027 die heutigen exorbitanten Zertifikatsüberschüsse abgebaut. Damit hätte sich der Emissionshandel de facto für die kommenden 15 Jahre erledigt und 50 Prozent der europäischen CO2-Emissionen wären unreguliert. Die EU wäre als Klimaschützer abgemeldet und nationale Regelungen wären dann leider das Gebot der Stunde.“

Stefan Krug, Leiter der politischen Vertretung von Greenpeace: „Wenn die EU-Regierungschefs dermaßen schwache Ziele für Klimaschutz und Erneuerbare Energien beschließen, würde das Stillstand in diesen Bereichen bis 2030 bedeuten. Denn diese Ziele erreicht die EU auch ohne zusätzliche Anstrengungen. Statt Solaranlagen und Windrädern würden dann Kohle- und Atomkraftwerke ausgebaut werden und die Abhängigkeit der EU von teuren Energieimporten würde bestehen bleiben.“

Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch: "Die EU-Regierungschefs haben geschworen, Schaden von ihren Völkern abzuwenden - das gilt auch für die Klimapolitik. Will die EU nicht zum Rohrkrepierer für den internationalen Klimaschutz werden, müsste sie bis zum Juni ernsthafte und verbindliche Ziele für Klimaschutz, Erneuerbare Energien und Energieeffizienz verabschieden."

Die deutschen Nichtregierungsorganisationen fordern bis 2030 eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen innerhalb der EU um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990. Zugleich müssten die erneuerbaren Energien auf einen Anteil von 45 Prozent am EU-weiten Strommix ausgebaut und die Energieeffizienz um 50 Prozent erhöht werden. Dabei gelte, je schneller die Emissionen reduziert würden, desto geringer das Risiko, dass der Klimawandel unkontrollierbare Ausmaße annimmt.


Wirtschaft setzt starkes Zeichen für ambitionierte EU-Klimaziele

Germanwatch begrüßt Appell von 13 Unternehmen und Wirtschaftsverbänden an Kanzlerin Merkel

Germanwatch Pressemitteilung, 19.3.14

Bonn/Berlin. Einen Tag vor dem Start des EU-Gipfels haben heute 13 große Unternehmen und Wirtschaftsverbände in einem Appell an Bundeskanzlerin Angela Merkel ein deutliches Zeichen für ambitionierte und verbindliche EU-Klimaziele gesetzt. Germanwatch begrüßt die Forderung der Unternehmen an die Politik, deutlich über die schwachen Vorschläge der EU-Kommission für die 2030-Ziele hinauszugehen.

"So kurz vor dem EU-Gipfel ist das ein ganz wichtiges Signal“, sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. "Diese Unternehmen haben zu Recht große Sorgen vor einem schwachen Klima- und Energiepaket. Immer mehr Unternehmen drängen auf eine Nachbesserung der Vorschläge der Kommission, damit sich in Deutschland und in der EU Investitionen in die CO2-arme Wirtschaft von morgen lohnen. Diese Investitionen brauchen wir für den Klimaschutz und gegen die Wirtschaftskrise in großen Teilen Europas."

Bals ergänzt: „Die Bundesregierung sollte sich vehement dafür einsetzen, dass es spätestens im Juni ein Klima- und Energiepaket gibt, das deutlich ambitionierter ist als die Vorschläge der EU-Kommission. Ohne ein solches Signal gerät der wichtige Klimagipfel von UN-Generalsekretär Ban-Ki Moon im September in sehr schwieriges Fahrwasser.“

Die Unternehmen aus ganz unterschiedlichen Branchen - darunter die Deutsche Bahn, EnBW und Otto - bitten die Kanzlerin unter anderem, sich für ein CO2-Reduktionsziel von "mehr als 40 Prozent" einzusetzen. Die Unternehmen plädieren zudem für verbindliche nationale Ziele für den Ausbau der Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz sowie für eine Reform des EU-Emissionshandels, die entgegen den Kommissionsvorschlägen schon vor 2021 ansetzt. Die "Süddeutsche Zeitung" hatte heute vorab über den Appell berichtet.


NABU: Wegen Krim-Krise EU-Energie- und Klimapolitik wichtiger denn je

Tschimpke: Energieeffizienz bestes Mittel für Versorgungssicherheit

NABU Pressemitteilung, 19.3.14

Berlin/Brüssel – Am Donnerstag und Freitag treffen sich in Brüssel die EU-Staats- und Regierungschefs. Ursprünglich sollten die Energie- und Klimaziele der EU bis 2030 eines der Hauptthemen sein, doch es zeichnet sich ab, dass die Entwicklungen auf der Krim den EU-Gipfel dominieren werden. „Die Krim-Krise macht einmal mehr deutlich, dass die Europäische Union die wirtschaftliche Abhängigkeit von fossilen Energieträgern wie Erdöl und Erdgas durchbrechen muss“, forderte NABU-Präsident Olaf Tschimpke. Die Antwort auf die Krim-Krise sei daher auch, mehr für den Klimaschutz zu tun.

Aus NABU-Sicht ist es für die EU und ihre Mitgliedstaaten wichtiger denn je, neben den Einsparungen von 40 Prozent Treibhausgasemissionen auch den Anteil der erneuerbaren Energien um mindestens 30 Prozent zu erhöhen und erstmals ein festes Ziel von 40 Prozent Energieeinsparung für das Jahr 2030 festzulegen. Erst im Januar hatte sich das Europaparlament für diese Zieltrias ausgesprochen. „Vor allem die Energieeinsparung ist der Schlüssel für die EU und Deutschland, unabhängiger von Wladimir Putins Energieexporten zu werden, und das beste Mittel für Versorgungssicherheit“, so Tschimpke. Zudem müsse der EU-Binnenmarkt für Energie naturverträglich, bedarfsgerecht und grenzüberschreitend ausgebaut werden.

Das Thema Klimapolitik muss dem NABU nach auch deshalb ganz oben auf der Tagesordnung des EU-Gipfels stehen, weil neben der Frage der Versorgungssicherheit von der EU auch neue Impulse für ein weltweit geltendes Weltklimaabkommen ausgehen müssen. Dieses soll 2014 im peruanischen Lima auf den Weg und 2015 in Paris beschlossen werden. „Deutschland und die anderen EU-Mitgliedstaaten müssen jetzt ein starkes Zeichen setzen und mit einer ambitionierten Klimapolitik zu Sicherheit und Stabilität in Europa beitragen“, forderte NABU-Energieexperte Ulf Sieberg. Die Krim-Krise sei auch eine Energiekrise, deren Ausweg nur über mehr Einsparung, Effizienz und erneuerbare Energien führen könne.


Die EU könnte sich Vorreiterrolle beim Klimaschutz leisten

Pressemitteilung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, 19.3.14

Diese Woche treffen sich die Regierungs-Chefs der EU Mitgliedsländer in Brüssel, um die Einführung eines ehrgeizigen Reduktionsziels für Treibhausgase bis 2030 zu diskutieren. Obwohl die weltweiten Klimaverhandlungen nur langsam voran kommen, könnte Europa als Pionier des Klimaschutzes die zukünftige globale Erwärmung um mehr als ein Grad verringern – wenn sein Handeln Signalwirkung für andere Länder hat, so dass diese sich ab 2030 gleichfalls beteiligen. Dies zeigt eine jetzt veröffentliche Studie. Zwar müssten die großen Emittenten wohl bereits deutlich vor 2030 am globalen Klimaschutz mitwirken, um ein zeitweises Überschreiten der Zwei-Grad-Grenze für die globale Erwärmung noch zu verhindern. Doch selbst wenn sie erst ab 2030 die notwendigen Schritte unternähmen, würde das Überschreiten auf etwa 0,2 bis 0,4 Grad Celsius beschränkt bleiben. Die Kosten der Vorreiterrolle wären für die EU gering. Nachzügler hätten zwar den Vorteil anfänglich geringerer Kosten, aber später höhere Kosten beim Übergang zur überwiegend CO2-freien Wirtschaftsweise.

„Die krisengeschüttelte EU ist unsicher, ob sie es sich noch leisten kann, beim Klimaschutz eine Vorreiterrolle einzunehmen“, sagt Leit-Autor Elmar Kriegler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Falls die internationale Klimapolitik weiterhin wenig Fortschritte macht, und falls es eines Wegbereiters bedarf, um dem Ganzen eine Richtung zu geben, könnte die EU-Initiative viel bewegen. Eine Reduzierung um mehr als ein Grad würde bedeuten, dass eine ganze Menge Klimaschäden vermieden werden könnten.“ Diese Strategie funktioniert aber nur, wenn der Rest der Welt sich letztendlich anschließt, da eine einzelne Region allein den Klimawandel nicht wirkungsvoll bekämpfen kann. „Beispielhaftes Handeln muss andere Länder überzeugen“, sagt Kriegler. „Daher sichern Vorreiter den Erfolg ihrer Anstrengungen am besten damit, dass sie die ökonomische Machbarkeit demonstrieren und es für andere attraktiv machen, sich daran zu beteiligen.“

Die zusätzlichen Kosten für die EU werden als gering eingeschätzt, da sie bereits heute eine wirksame Klima- und Energiepolitik betreibt, bei der eine Emissionsreduzierung von 30 Prozent bis 2030 erwartet wird. Die Studie untersucht die mögliche Vorreiterrolle der EU in Übereinstimmung mit ihren Plänen für eine Reduzierung ihres Ausstoßes von Treibhausgasen um 40 Prozent bis 2030, verglichen mit dem Emissionsniveau von 1990.

Verlagerung von Emissionen nur in geringem Umfang

Ein weiterer Grund, warum die Kosten für Europa als gering eingeschätzt werden, ist der voraussichtlich geringe Umfang des so genannten ‚Carbon Leakage’. Bei einer Beschränkung des Ausstoßes von Treibhausgasen besteht oft die Befürchtung, dass energieintensive Industrien in Teile der Welt mit niedrigeren Umweltstandards abwandern. Oder dass ein rückläufiger Verbrauch von fossilen Brennstoffen durch Klimaschutzmaßnahmen in einer Region die Weltmarktpreise für Kohle, Öl und Gas reduziert und hierdurch den Verbrauch anderenorts steigen lässt. Beide Effekte könnten die Bemühungen von Vorreitern zunichte machen. In der Studie wird dieser Effekt jedoch als gering eingeschätzt. Nur etwa 20 Prozent oder weniger der Emissionen würden verlagert statt vermieden werden, so das Ergebnis des ganz überwiegenden Teils der Computersimulationen. Diese Leakage-Rate misst den Anteil von zusätzlichen Emissionen im Rest der Welt verglichen mit der Emissionsreduzierung des Vorreiters.

Falls China zusammen mit der EU auf dem Weg zu einer weltweiten Emissionsreduktion voran ginge, könnte dies die Emissionen bis 2030 um ein vielfaches dessen verringern, was die EU allein erreichen könnte. Damit würde sich die Wahrscheinlichkeit, die globale Erwärmung unter 2 Grad Celsius zu halten, leicht erhöhen. Chinas kurzfristige Vermeidungskosten wären allerdings deutlich höher als die der Europäischen Union. „Damit für China ein solches Szenario interessant wird, müsste die Betrachtung auch auf zusätzlichen Nutzen von Klimaschutzmaßnahmen wie namentlich die verringerte Luftverschmutzung ausgeweitet werden“, sagt Kriegler. „Abgesehen hiervon müssen Nachzügler abwägen zwischen niedrigeren kurzfristigen Kosten und später höheren Übergangskosten. Und dies würde auch für China gelten.“

Investitionen in fossile Infrastruktur könnte Milliardenverschwendung sein

Wenn Nachzügler sich an einem globalen Regelwerk für den Klimaschutz beteiligen, bedeutet das für sie eine Herausforderung: sie müssen in kurzer Zeit den Sprung von einer schwachen zu einer starken Emissionsreduktion schaffen, so die Studie. „Das Risiko, auf eine auf fossilen Brennstoffen basierende Infrastruktur festgelegt zu sein, ist ein Hauptargument gegen verzögerndes Handeln“, sagt Ko-Autor Keywan Riahi vom International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA). Dies trifft zum Beispiel auf den Neubau von Kohlekraftwerken zu. „Heutige Energieplaner treffen Investitionsentscheidungen in Milliardenhöhe – die sich als falsch erweisen könnten, sobald eine Klimapolitik eingeführt ist. Daher ist eine verzögerte Kllimapolitik kostenträchtig; ganz abgesehen von dem Risiko, dass strenge Klimaziele außer Reichweite geraten könnten.“

Die neue Multimodell-Studie ist Teil des AMPERE-Projektes („Assessment of Climate Change Mitigation Pathways and Evaluation of the Robustness of Mitigation Cost Estimates“) und wird in einer Sonderausgabe der Zeitschrift Technological Forecasting & Social Change veröffentlicht. Mit AMPERE wurde eine europäische Plattform von modernsten Energie-Ökonomie-Computermodellen geschaffen, mit welchen eine Reihe von Analysen zu den Folgen kurzfristiger Klimapolitik für die Erreichung langfristiger Klimaziele durchgeführt worden sind. Das Projekt wird vom PIK und IIASA koordiniert. Finanziert wird es von der Europäischen Union.




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