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Nach dem G7-Treffen

Klimabeitrag: Bricht Merkel das G7-Versprechen von Elmau?

Initiative Transform fordert von Kanzlerin Merkel klares Bekenntnis zur Klimaabgabe für die schmutzigsten Kohlekraftwerke

Pressemitteilung von Brot für die Welt, BUND, Germanwatch, Greenpeace, Misereor und WWF, 10.6.15

Berlin (10. Juni 2015). Wenige Tage nach dem G7-Gipfel setzt die Bundesregierung ihre Glaubwürdigkeit beim Klimaschutz aufs Spiel. Nachdem sie in Elmau als Gastgeberin des G7-Gipfels ein weltweit beachtetes Signal für die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft organisiert hat, schreckt sie nun vor den notwendigen Taten zu Hause zurück. Medienberichten zufolge ist Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel bereit, den geplanten Klimabeitrag für alte Kraftwerke den Interessen der Kohle-Lobby zu opfern.

„Wo Klimakanzlerin draufsteht, muss auch Klimakanzlerin drin sein. Vor den Kohleunternehmen jetzt einzuknicken beschädigt die Glaubwürdigkeit der Kanzlerin national wie international massiv. Das sogenannte Alternativmodell zur Klimaabgabe sind größtenteils teure Luftbuchungen, die darauf hinauslaufen, dass die Bundesregierung RWE & Co Geld schenkt und der Bürger zahlt. Die Klimaabgabe jetzt zu kippen verzögert den Umbau in den Revieren und ist damit auch eine sehr schlechte Nachricht für die Menschen vor Ort“, so Eberhard Brandes, Geschäftsführender Vorstand der Umweltstiftung WWF.

Bernd Bornhorst, Leiter der Abteilung Politik und globale Zukunftsfragen bei MISEREOR: „Der Klimawandel erlaubt keine schmutzigen Deals. Die ärmsten und vom Klimawandel am stärksten betroffenen Menschen erwarten von Deutschland Taten statt Worte. Ein Einknicken vor den fossilen Interessen hätte fatale Folgen für die Klimaverhandlungen in Paris.“

Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND: „Der Versuch über Stückwerk in anderen Bereichen die riesige Klimaschutzlücke zu schließen, wird kaum gelingen. Maßnahmen müssten neu und zusätzlich sein, sonst kannibalisiert die Regierung ihr eigenes Klima-Aktionsprogramm und das Minderungsziel wird zur Makulatur. Die Regierung darf sich um den Kohle-Ausstieg nicht drücken, sonst riskiert sie ihre Klimaziele und den geordneten Übergang in den Kohlerevieren. Wird der Strukturwandel jetzt verschleppt, sind Brüche nach 2020 viel eher zu befürchten.“

„Die Entscheidung über einen Klimabeitrag für die dreckigsten und ältesten Kraftwerke ist der Lackmustest für Deutschlands Glaubwürdigkeit im Klimaschutz", sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. "Der Gegenvorschlag von Kraftwerksbetreibern und Gewerkschaften reicht nicht aus, um das Klimaziel zu retten. Er ist teurer. Und die Bürger zahlen die Zeche. Jetzt kann sich die Bundeskanzlerin nicht mehr um eine Entscheidung drücken. Es geht um Klima oder Kohle."

Tobias Austrup, Klimaexperte von Greenpeace: „Merkel scheint sich in den Niederungen der deutschen Politik schnell von ihrem G7-Klimaversprechen zu verabschieden. Scheitert die Klimaabgabe, hat die Kanzlerin zwar vollmundig über Klimaschutz gesprochen, ihn aber nicht einmal im eigenen Land umgesetzt. Die Bundesregierung darf sich nicht von einer Splittergewerkschaft wie der IG BCE und kriselnden Energiekonzernen die Politik diktieren lassen. Merkels Schweigen in der Kohlefrage ist die Säge am Elmau-Versprechen."

Sabine Minninger, Klimaexpertin bei Brot für die Welt: „Die wichtige G7-Initiative zu Klimarisikoversicherungen für die Ärmsten und verletzlichsten Menschen gegenüber dem Klimawandel wirkt fast zynisch, wenn man offenbar gewillt ist, die Folgen des Problems zu bekämpfen, nicht aber die Ursache.“

„Transform - Initiative für ökologische und gerechte Entwicklung“ ist eine Initiative von Brot für die Welt, BUND, Misereor, Germanwatch, Greenpeace und WWF.


Das Gespenst von Schloss Elmau: Setzt Merkel in Berlin den G7-Vorsatz zum Kohleausstieg um?

Die Klimaschutzbeschlüsse des G7-Gipfels sind noch keine 48 Stunden alt, da scheint sie Angela Merkel schon wieder vergessen zu haben. Verspielt die Kanzlerin ihren Ruf?

Von Gregor Kessler, Greenpeace-Online, 11.6.15

Kein Tor war gefallen und doch ging ein leichtes Raunen durch das Eissportstadion in Garmisch-Partenkirchen. Die Hundertschaften von Journalisten aus aller Welt im improvisierten G7-Pressezentrum lauschten gespannt, als Angela Merkel am Montagnachmittag die Beschlüsse des Gipfels verkündete.

Es waren die Bemerkungen zum Klimaschutz, die für Aufregung sorgten. Merkel war als Gastgeberin gelungen, woran viele bis zuletzt gezweifelt hatten: Die Kanzlerin hat den sieben wichtigsten westlichen Industrieländern die gemeinsame Verpflichtung abgerungen, sich für den weltweiten Ausstieg aus der klimaschädlichen Verbrennung von Kohle, Öl und Gas einzusetzen und dazu ihre eigene Energieversorgung radikal umzubauen. Das setzte sie über den Widerstand von Kanada und Japan hinweg und unterstützt von US-Präsident Obama durch. Ein Erfolg – trotz aller Ungenauigkeiten im Text.

Die Nachricht war also nicht die Bekräftigung des Zwei-Grad-Ziels durch die G7 – obwohl manche in Elmau das so verkaufen wollten. Denn dieses Ziel war schließlich schon vor knapp fünf Jahren bei der Klimakonferenz in Cancun von knapp 200 Ländern offiziell bekräftigt worden. Nein, die Nachricht in Elmau war, wie dieses alte Ziel erreicht werden soll: nämlich durch den Ausstieg aus fossilen Energien.

G7-Ankündigungen müssen auch in Berlin widerhallen

So trivial dieses für Klimaschützer klingt, so bemerkenswert war es aus dem Munde von sieben der weltweit größten Industriestaaten. Entsprechend positiv hat Greenpeace die Ergebnisse am Montag kommentiert – aber gleichzeitig deutlich darauf hingewiesen, dass das Ziel einer „kohlenstoffarmen Wirtschaft“ nicht das Deckmäntelchen für Risikotechnologien wie Atom oder die CO2-Abscheidung sowie -Verpressung und unterirdische Lagerung (CCS) sein darf.

Auch machte Greenpeace klar, dass die wohlklingenden Ankündigungen aus Oberbayern auch in den Niederungen Berlins widerhallen müssen. Dass also die G7-Gastgeberin Merkel sich endlich hinter die Kohleabgabe von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel stellen muss. Es ist die logische Konsequenz dessen, was sie auf Schloss Elmau verkündet hat: Im Abschluss-Kommuniqué heißt es, es seien „tiefe Einschnitte bei den Treibhausgasemissionen nötig“, um die globale Erwärmung zu begrenzen.

Kohleabgabe mit Billigung der Kanzlerin kassiert

Danach jedoch sieht es derzeit nicht aus. Laut Presseberichten soll Gabriels Kohleabgabe mit stillschweigender Billigung der Kanzlerin kassiert werden. Offenbar sorgt sich Angela Merkel weit mehr um das Jammern großer Energiekonzerne, die viel zu lange auf Kohlekraftwerke setzten, als um die Begrenzung des Klimawandels. So viel Kurzsichtigkeit, auch mit Blick auf den gerade erst aufpolierten Klima-Ruf, war nicht abzusehen.

„Merkel scheint sich in den Niederungen der deutschen Politik schnell von ihrem G7-Klimaversprechen zu verabschieden“, kritisiert Tobias Austrup, Greenpeace-Experte für Energie. „Merkels Schweigen in der Kohlefrage ist die Säge am Elmau-Versprechen.“

Merkels Kohleproblem war das Schlossgespenst der Klimaverhandlungen im Palais Elmau. Es drohte die Glaubwürdigkeit der Kanzlerin auf Nimmerwiedersehen zu verschrecken. Dass sie dennoch ein gutes Ergebnis erreichte, lag daran, dass Merkels Kollegen ihr Konsequenz zutrauen. Die Konsequenz, in Berlin umzusetzen, was auf Schloss Elmau beschlossen wurde: Den Ausstieg aus der Kohle. Wird dieser durch Merkels Schweigen verhindert, holt das Gespenst von Elmau die Kanzlerin ein. Dann wird sie am Ende dieses Jahres beschädigt und unglaubwürdig zur Klimakonferenz nach Paris fahren. Elmau wäre dann schon jetzt von einem historischen Moment zu einem sehr, sehr teuren Fototermin geworden.




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