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Brutale WWF-Wildhüter? (4)

Für Mensch und Natur

Menschenrechte: WWF Deutschland veröffentlicht externe Analyse und legt Maßnahmenpaket vor

WWF Pressemitteilung, 1.5.19

Berlin: Der WWF Deutschland hat einen Bericht veröffentlicht, der die Berücksichtigung der Menschenrechte in der Schutzgebietsarbeit analysiert. Der Fokus liegt auf dem eigenen Engagement in der Krisen- und Konfliktregion Kongobecken. Die Umweltschützer hatten die unabhängige Untersuchung im März beim Institut „Human Rights & Responsible Business“ des ehemaligen Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Markus Löning, in Auftrag gegeben. Neben der Analyse der Wirksamkeit interner Prozesse und Standards enthält der Bericht Empfehlungen zu deren Verbesserung. Grundlage hierfür sind die 2011 geschaffenen UN-Prinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGP). Organisationen haben demnach eine erweiterte Sorgfaltspflicht.

Der WWF Deutschland hat sich entschlossen, die Empfehlungen Schritt für Schritt umzusetzen. Ziel ist es, die Sicherung der Menschenrechte zum systematischeren Bestandteil der Umweltschutzarbeit zu machen. Markus Löning und sein Team werden diesen Prozess begleiten.

Die Kernergebnisse des Reports:
  • Der WWF Deutschland hat Standards und Richtlinien zum Schutz von Menschenrechten eingeführt oder von öffentlichen Geldgebern übernommen, setzt sie aber nicht immer gleichermaßen systematisch ein.
  • Er setzt in seinen Projekten zahlreiche Maßnahmen wie Beschwerdemechanismen, Aus- und Fortbildungstrainings von Rangern, Einrichtung von Menschenrechtszentren oder medizinische Versorgung der Menschen vor Ort bereits um. Allerdings ist die Implementierung je nach Projekt unterschiedlich gut ausgeprägt.
  • Der Bericht empfiehlt, die Projektstrukturen und Vorgaben zu vereinheitlichen und so sicherzustellen, dass auf die wichtigsten menschenrechtlichen Risikofelder bei Naturschutzprojekten in Schutzgebieten eingegangen wird.
Anlässlich der Veröffentlichung erklärte Eberhard Brandes, geschäftsführender Vorstand des WWF Deutschland: „Unsere Mission ist die weltweite Zerstörung von Natur und Umwelt zu stoppen und eine Zukunft zu gestalten, in der Mensch und Natur im Einklang miteinander leben. Die Einhaltung der Menschenrechte ist Grundlage aller Naturschutzmaßnahmen. Die Vorwürfe haben uns betroffen gemacht. Wir haben Markus Löning und sein Team beauftragt, unsere Prozesse zu analysieren, Handlungsempfehlungen auszusprechen und uns bei der weiteren Verbesserung zu begleiten. Der Bericht ist für uns Auftrag und Ansporn. Wir stehen zu unserer Verantwortung und werden die Empfehlungen umsetzen.“

Markus Löning sagte zur Übergabe des Berichts: „Die in 2011 etablierten UN-Prinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sprechen Organisationen eine erweiterte Sorgfaltspflicht zu. Ihre Verantwortung erstreckt sich damit nicht mehr nur auf das eigene Handeln, sondern auch auf das der Partner. Diese neue Situation fordert aktuell viele Organisationen heraus. Auch der WWF Deutschland kann hier einiges besser machen. Menschenrechtsfragen sollten von Anfang an systematisch in Projektentscheidungen einbezogen werden und eine strategische Steuerung des Themas aufgebaut werden. Das Wichtigste ist, dass bei Umsetzung und Planung von Projekten immer klar ist, dass Naturschutz und die Achtung der Menschenrechte zusammengehören.“

„Der WWF treibt dieses Thema mit großer Offenheit und Ernsthaftigkeit voran“, so Löning weiter. „Ich bin daher guten Mutes, dass wir ein robustes Regelwerk aufbauen können, das die Organisation für ihre Arbeit auch in menschrechtlich heiklen Regionen wappnet. Gerade im Kongobecken mit seiner langen Historie gesellschaftlicher Konflikte und Bürgerkriege haben wir es mit einer schwierigen Gemengelage aus alltäglichen Übergriffen und einer schwach ausgeprägten Rechtsstaatlichkeit zu tun. Schutzgebiete gehören in der Regel den nationalen Behörden, weshalb der WWF auf die Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen angewiesen ist, deren Praktiken aber nicht immer mit internationalen Standards übereinstimmen.“

Um diesen Anforderungen nachzukommen, wird der WWF Deutschland seine Abläufe weiterentwickeln und ein Regelwerk erarbeiten, das den Schutz der Menschenrechte von der ersten Planung eines Projekts über die Umsetzung vor Ort bis zur nachträglichen Auswertung systematischer einbezieht. Zusätzlich legten die Umweltschützer ein erstes Maßnahmenpaket vor, wozu unter anderem die Schaffung zweier neuer Stellen für Menschenrechtsfragen in Projekten des WWF Deutschland und der Zusammenarbeit mit Partnern vor Ort gehört. Die weiteren Maßnahmen fokussieren auf zwei besonders wichtige Projektregionen in Afrika – den Nationalpark Salonga in der Demokratischen Republik Kongo und das Dzanga-Sangha-Schutzgebiet in der Zentralafrikanischen Republik.

Die in beiden Gebieten bereits stattfindende Standard-Ausbildung, bei der neben fachlichen Fragen auch die Wahrung der Menschenrechte eine wesentliche Rolle spielt, wird ausgeweitet. Innerhalb eines Jahres sollen alle in und um den Nationalpark Salonga tätigen Ranger eine entsprechende Schulung erhalten. Das betrifft nach aktuellem Stand noch rund 200 der insgesamt 300 Mitarbeiter. Gleiches gilt für Dzanga-Sangha: Auch hier werden die Trainings intensiviert. In Salonga wird das bestehende Beschwerdesystem ausgebaut, um Betroffenen von Übergriffen schnell und unkompliziert zu helfen. Dabei wird der WWF auf die positiven Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem bereits etablierten Beschwerdemechanismus in Dzanga Sangha zurückgreifen. In einer Pilotphase, die noch in diesem Jahr starten soll, werden in verschiedenen Dörfern in Salonga lokale Vertrauenspersonen eingesetzt, bei denen Opfer sich melden können.

Hintergrund

Im März berichteten verschiedene Medien über Anschuldigungen, wonach der WWF nicht genügend gegen schwere Straftaten staatlicher Angestellter in afrikanischen und asiatischen Schutzgebieten unternehme. Der WWF Deutschland hat daraufhin entschieden – unabhängig von den einzelnen Vorwürfen – die grundsätzliche Rolle der Menschenrechte, insbesondere in seinen zentralafrikanischen Projekten zu analysieren. Zur Aufklärung der Anschuldigungen zu konkreten Tathergängen hat der WWF International eine unabhängige Menschenrechtskommission einberufen, die von der südafrikanischen Juristin und ehemaligen UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navanethem Pillay, geleitet wird.


Enthüllt: Ranger im Zentrum des WWF-Skandals erhalten Prämien für Festnahmen

Survival International Deutschland e.V. Pressemitteilung, 2.5.19

Recherchen von Survival International zeigen, dass Wildhüter, die vom WWF unterstützt werden, Prämien für Festnahmen erhalten. Das Bonussystem gibt den Einheiten einen klaren Anreiz, möglichst viele Personen zu verhaften. Lokale Anwohner*innen haben bereits häufig über willkürliche Verhaftungen und andere Misshandlungen von Rangern in der Region geklagt. Erst gestern hatte eine Analyse kritisiert, dass Menschenrechte in der Arbeit des WWF-Deutschland nur „unzureichend integriert“ seien.

Die Zahlungen sind in der Finanzierungsvereinbarung mit der Europäischen Union für die Schaffung des hoch umstrittenen Schutzgebiets Messok Dja in der Republik Kongo geregelt. Darin ist auch festgelegt, dass Informanten Prämien für Informationen gezahlt werden, die zu einer Verhaftung führen.

Der Direktor von Survival International, Stephen Corry, sagte heute: „Das System des WWF bedeutet, dass Wildhüter für jede Person, die sie festnehmen, mehr Geld bekommen – von den Steuerzahlern in der EU. Stellen Sie sich den Aufschrei vor, wenn das für Strafverfolgungsbeamte in Europa gelten würde! Es geht hier nicht um den Verkauf von Autos: Polizeiarbeit sollte nicht auf 'Provisionsbasis' betrieben werden.“

„Jeder, der sich damit beschäftigt hat, weiß, das die Baka und andere Einheimische seit Jahren sagen, dass sie ständig verhaftet werden – und häufig verprügelt, gefoltert und schlimmeres. Jetzt wissen wir, dass es sogar einen Anreiz für die Ranger gibt, sie zu misshandeln.“ „Es versteht sich von selbst, dass die echten Wilderer, gemeinsam mit korrupten Wildhütern und Offiziellen, ungeschoren davonkommen – wie immer."

Der WWF – mit Unterstützung des WWF-Deutschland – treibt das Messok Dja-Projekt voran, obwohl lokale Baka-Indigene, deren Land dafür genutzt werden soll, es entschieden ablehnen. Nach internationalem Recht dürfen solche Projekte nicht durchgeführt werden, wenn die lokale Bevölkerung nicht bereits ihre Zustimmung zu dem Vorschlag gegeben hat.

Ein Baka-Mann sagte gegenüber Survival International: „Für uns ist das wie ein Krieg. Unser Wald ist jetzt für uns verschlossen. Die Ranger töten Menschen für Geld, so erhöhen sie ihr Gehalt.“

Eine investigative Recherche des Nachrichtenseite Buzzfeed hatte kürzlich ergeben, dass der WWF „mit paramilitärischen Kräften zusammenarbeitet, die beschuldigt wurden, viele Menschen geschlagen, gefoltert, sexuell angegriffen und ermordet zu haben, sowie diese zu finanzieren und auszurüsten.“

Buzzfeed veröffentlichte auch interne Dokumente, die zeigen, dass der WWF seit Jahren weiß, dass die Ranger schwerer Menschenrechtsverletzungen beschuldigt werden, diese aber weiterhin finanzierte.

Untersuchungen zur Arbeit des WWF finden derzeit in den USA, Großbritannien und Deutschland statt. Gestern hatte der WWF-Deutschland im Rahmen der Buzzfeed-Vorwürfe eine Analyse veröffentlicht, die kritisierte, „dass Menschenrechtsaspekte wenig Beachtung“ zu finden scheinen. Obwohl die Analyse vom WWF bezahlt wurde und sich im Wesentlichen auf Informationen stützte, die der WWF selbst bereitstellte, werfen die Ergebnisse ein schlechtes Licht auf die Einhaltung von Menschenrechtsstandards durch den WWF.




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