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Aktuell

Nationaler Waldgipfel (2)

Regierung stellt 800 Millionen Euro für Rettung des Waldes in Aussicht

Stürme, Borkenkäfer, Dürren: Rund 180.000 Hektar Wald in Deutschland sind irreparabel geschädigt. Waldbesitzer sollen mit Millionenhilfen von Bund und Ländern unterstützt werden. Doch was genau ist sinnvoll?

(dpa) - 25. September, 2019

https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/waldgipfel-bis-zu-800-millionen-euro-hilfe-fuer-forstbesitzer-a-1288643.html


Julia Klöckner: "Der Wald stirbt in einigen Teilen"

Auf dem Nationalen Waldgipfel zeichnen Politiker und Fachleute ein dramatisches Bild. Durch Hitze, Waldbrände und Borkenkäfer werden riesige Flächen zerstört. Nun wird über Rettungspläne gesprochen.

Von Marcel Fürstenau, Deutsche Welle, 25. September, 2019

https://www.dw.com/de/julia-kl%C3%B6ckner-der-wald-stirbt-in-einigen-teilen/a-50585580


Waldgipfel: Klöckner verspricht Hilfe aber keinen Ersatz der Schäden

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner stellt 800 Mio. € Hilfsgelder für den Wald in Aussicht. Den Umbau der Wälder sieht sie bereits in vollem Gange.

Von Stefanie Awater-Esper, Top Agrar Online, 25.9.19

https://www.topagrar.com/jagd-und-wald/news/waldgipfel-kloeckner-verspricht-hilfe-aber-keinen-ersatz-der-schaeden-11823200.html


Millionen für die Aufforstung reichen nicht

Wald schütze man am besten, indem man ihn in seiner Selbsterneuerung unterstütze und nicht zum Jagdrevier oder Holzlieferant degradiere, meint Britta Fecke. Die von Bundesagrarministerin Julia Klöckner in Aussicht gestellten Mittel für die Aufforstung reichten jedenfalls nicht aus, um den Wald zu retten.

Von Britta Fecke, Deutschlandfunk, 25.9.19

https://www.deutschlandfunk.de/nationaler-waldgipfel-millionen-fuer-die-aufforstung.720.de.html?dram:article_id=459656


Waldsterben 2.0 : Das erste Klimaopfer

Bäume können nicht weglaufen, das ist ihr Problem. Wie können sie Dürre, Stürme und Schädlinge überleben?

Ein Kommentar von Heike Jahberg, Tagesspiegel, 25.9.19

https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/waldsterben-2-0-das-erste-klimaopfer/25055672.html


„Die Aufforstung übernimmt das Ökosystem Wald“

Der Waldökologe Pierre Ibisch hat die aktuellen Maßnahmen der Bundesregierung zur Linderung von Waldschäden kritisiert. Im Dlf sagte er, es mache keinen Sinn, Schadholz aus den Wäldern zu holen und alles abzuholzen. Sinnvoller sei es, Waldbesitzer zu entschädigen und den Wald sich selbst zu überlassen.

Pierre Ibischi im Gespräch mit Britta Fecke, Deutschlandfunk, 25.9.19

https://www.deutschlandfunk.de/waldschaeden-die-aufforstung-uebernimmt-das-oekosystem-wald.697.de.html?dram:article_id=459604


Waldgipfel von Julia Klöckner: Welche Zukunft hat der Wald?

Julia Klöckner lädt zum Waldgipfel. Neben akuter Krisenbewältigung geht es um die Frage, wie es mit den Forsten weitergeht.

Von Heike Holdinghausen, taz, 25.9.19

https://taz.de/Waldgipfel-von-Julia-Kloeckner/!5625154/


Unser Wald braucht Hilfe – Waldumbau jetzt voranbringen

Nationaler Waldgipfel wichtiges Signal für die Forstwirtschaft in Deutschland

CDU/CSU Bundestagsfraktion Pressemitteilung, 25.9.19

Anlässlich des heute in Berlin stattfindenden nationalen Waldgipfels erklären der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Ernährung und Landwirtschaft der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann, und der zuständige Berichterstatter, Alois Gerig:

Albert Stegemann: „Der nationale Waldgipfel sendet wichtige Signale: Der Schutz unserer Wälder verlangt jetzt große Anstrengungen. Die Bundesregierung lässt den Wald und die Menschen, die mit und vom Wald leben, in der Not nicht allein. Gemeinsam mit Wissenschaftlern, Fachverbänden und der Praxis werden tragfähige Lösungen erarbeitet. Denn wenn wir den Wald vor lauter geschädigten Bäumen nicht mehr sehen, werden wir unsere Klimaziele nicht erreichen können.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion unterstützt Bundesforstministerin Julia Klöckner mit großem Nachdruck, die notwendigen Hilfen zügig auf den Weg zu bringen. Denn in diesem und im letzten Jahr haben Stürme, Dürre, Schädlinge und Brände in deutschen Wäldern schwere Schäden angerichtet. Wichtige Waldfunktionen, wie der Erhalt der Biodiversität oder der Wasser- und Bodenschutz, sind gefährdet. Insbesondere die Klimaschutzleistung des Waldes ist bedroht, schließlich binden die Wälder 127 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr. Über 100 Mio. Festmeter Schadholz sorgen für einen drastischen Preisverfall auf dem Holzmarkt – deshalb stehen viele Forstbetriebe vor dem Aus.“

Alois Gerig: „Wiederaufforstung, nachhaltige Waldbewirtschaftung und mehr Holznutzung sind für uns unverzichtbare Bausteine einer schlüssigen Klimaschutzpolitik. In den vergangenen Jahren ist der Waldumbau gut vorangekommen – dieser Weg muss konsequent fortgeführt werden. Ziel muss es sein, mit klimatoleranten und standortangepassten Baumarten stabile Mischwälder zu schaffen. Bund und Länder sind gefordert, die Anpassung unserer Wälder an den Klimawandel mit Rat und Tat zu unterstützen: Neben Finanzhilfen bedarf es eines wissenschaftlich fundierten Konzeptes, damit der Waldumbau gelingt.

Darüber hinaus ist es unerlässlich, die internationale Zusammenarbeit in der Forstwirtschaft zu stärken. Der Klimawandel macht nicht an nationalen Grenzen halt. Deutschland muss noch stärker dafür kämpfen, dass die globale Entwaldung gestoppt wird. Wir müssen unseren Beitrag leisten, weltweit eine nachhaltige Waldbewirtschaftung zu etablieren und mit Wiederaufforstungen dem Klimawandel entgegenzutreten.“


Waldgipfel – Ökologische Waldwende überfällig

BUND-Kommentar, 25.9.19

Anlässlich des heutigen Waldgipfels von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner kommentiert Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND):

"Eine ökologische Waldwende ist überfällig. An den Folgen der Klimakrise sterben nicht nur die anfälligen naturfernen Nadelforsten, sondern auch naturnahe Laubwälder sind bereits betroffen. Die Waldkrise, die wir jetzt sehen, ist ein Alarmsignal und ein Weckruf. Wir müssen dringend umsteuern: Die Bundesregierung muss mit gutem Beispiel vorangehen und endlich ehrgeizige Klimaschutzmaßnahmen beschließen und nicht 'Pillepalle', wie im Klimapaket von letztem Freitag. Denn bei einer Erderhitzung weit über 1,5 Grad hinaus wird auch der beste Waldschutz die heutigen Wälder in Deutschland nicht retten.

Wir müssen unsere bestehenden Wälder schützen, indem wir sie schonender behandeln, sodass sie eine Chance haben, Perioden langer Trockenheit und Hitze sowie heftigeren Stürmen besser standzuhalten. Dazu gehört, das Waldinnenklima feucht zu halten, durch ein gut geschlossenes Kronendach, eine zurückhaltende Holzernte, den Schutz des Waldbodens und das Belassen von Totholz, welches wie ein Schwamm Wasser im Wald speichern kann. Andernfalls laufen wir Gefahr, dass auch die robusteren Laubmischwälder von einer Kohlenstoffsenke zu einer CO2-Quelle werden. Zudem gehen sie uns zum Beispiel verloren für die Bereitstellung von Trinkwasser, Frischluft, Erosionsschutz, Erholung sowie als Rohstoff. Das bedeutet konkret: Die Bundesregierung muss ökologische Mindeststandards im Bundeswaldgesetz festschreiben. Die öffentlichen Wälder sollen darüber hinaus besonders vorbildlich bewirtschaftet werden: Nicht der Holzertrag, sondern der Erhalt des Waldökosystems muss im Zentrum stehen. Privatwaldbesitzerinnen und Privatwaldbesitzer sowie Kommunen sollen für besondere ökologische Leistungen finanzielle Unterstützung erhalten.

Bei den Finanzhilfen, welche die Bundesregierung jetzt für die Waldbesitzerinnen und Waldbesitzern auf den Weg bringt, darf es kein Geld für ein 'Weiter so' in der Forstwirtschaft geben. Nach dem Grundsatz 'Öffentliches Geld nur für öffentliche Leistungen' dürfen Steuergelder nur ausgegeben werden für den Aufbau naturnaher Laubmischwälder mit heimischen Baumarten. Gleichzeitig muss die Jagd so umgesetzt werden, dass die jungen Laubbäume eine Chance haben zu wachsen, anstatt gleich wieder von Rehen aufgefressen zu werden. Neben einer ökologischen Wiederbewaldung abgestorbener Waldflächen ist vor allem der Waldumbau zwingend erforderlich, weg von naturfernen Nadelforsten, hin zu klimastabilen Laubmischwäldern. Für beide Aufgaben ist mehr Personal im Wald erforderlich. Zudem soll es Unterstützung geben für kommunale und privaten Waldflächen, die als Naturwälder für immer aus der forstlichen Nutzung genommen werden. Hier können wir von der Natur lernen."


Waldweg statt Holzweg!

ROBIN WOOD-Kommentar zum Waldgipfel in Berlin

ROBIN WOOD, 25. September, 2019

ROBIN WOOD fordert die Teilnehmer*innen des Nationalen Waldgipfels auf, für mehr naturnahe, widerstandsfähige Wälder zu sorgen und dem Waldnaturschutz mehr Gewicht zu geben. Zu dem Waldgipfel hatte Bundesforstministerin Julia Klöckner eingeladen. Eine Protestaktion mit zwei Riesenwürfeln – einen mit der Aufschrift „Waldweg!“, den anderen mit dem durchgestrichenen Wort „Holzweg“ – sowie ein kurzer spontaner Redebeitrag bei einem Diskussionsplenum am frühen Nachmittag wurde von den Veranstaltern nach einer knappen Minute unterbunden.

„Der Waldgipfel räumt den ökonomischen Belangen der Forstwirtschaft zu breiten Raum ein“, kritisiert ROBIN WOOD-Waldreferentin Jana Ballenthien. „Wir brauchen Wälder, die den Herausforderungen des Klimawandels gewachsen sind. Deshalb müssen Waldnaturschutz und ökologische Konzepte zur Waldbewirtschaftung endlich konsequent umgesetzt werden.“

Die Umweltaktivist*innen fordern, der natürlichen Verjüngung den Vorzug zu geben vor teuren Pflanzungen von Setzlingen, die bei Dürre besonders gefährdet sind. Schadholz müsse als Wasserspeicher, Schattenspender, Schutz vor Wildverbiss sowie Nährstoffgeber und Ort für Artenreichtum weitaus häufiger als bisher im Wald verbleiben.

„Wir können es uns als Gesellschaft nicht mehr leisten, unseren Wald als aufgeräumten Holzacker zu betrachten, der in Papiertüten, Einwegprodukten, Pressholzmöbeln und Pellet-Öfen landet, während um uns herum das Klima zusammenbricht!“, sagt Ballenthien.

Erforderlich für den Schutz der Wälder sind auch entschiedene Maßnahmen in Bereichen außerhalb der Forstwirtschaft. Dazu zählt insbesondere ein verbessertes Recycling von Papier und Pappe sowie die massive Verringerung der Tierproduktion, da deren Stickstoffeinträge die Wälder am stärksten schädigen.


NABU zur AMK: Arten- und Klimakrise jetzt durch Umbau der Landnutzung stoppen

Miller: Bund und Länder haben Tragweite der ökologischen Krise noch nicht verstanden

NABU Pressemitteilung, 25.9.19

Berlin/Mainz – Zur heute beginnenden Agrarministerkonferenz von Bund und Ländern in Mainz fordert der NABU, Land- und Forstwirtschaft deutlich klima- und naturverträglicher auszurichten. „Bund und Länder haben die Tragweite der Klima- und Artenkrise bislang nicht verstanden. Eine Million Arten könnten aussterben, wir riskieren Schädlingsplagen, Extremwetter und Bodenverlust. Bei der Arten- und Klimakrise geht es um nicht weniger als unser Überleben – und auch das der Land- und Forstwirtschaft“, so NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. In ihrem Klimapaket vernachlässige die Bundesregierung die nötigen Veränderungen im Bereich der Landnutzung sträflich.

Die Folgen der Krise sind längst spürbar: Dürren nehmen zu, Wälder und Böden trocknen aus, die Insektenwelt verliert Arten und die Masse an Bestäuber. Vergangene Woche erst erklärte die Bundesregierung, dass sich Äcker, Wiesen und Weiden in katastrophalem Zustand befinden. Heute berät Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner zudem über die Zukunft der Wälder und die jüngsten Dürreschäden.

Der NABU fordert Bund und Länder auf, sich jetzt für eine klima- und naturverträglichere EU-Agrarpolitik (GAP) einzusetzen, die der Natur deutlich mehr Platz einräumt. Nur die GAP könne die nötigen finanziellen Rahmenbedingungen für den Wandel schaffen. Fördergelder müssten an eine klare „space for nature“-Regelung geknüpft werden: Erhalten darf sie nur, wer zehn Prozent seiner Fläche für die Artenvielfalt freihält – ohne Ausnahme.

Auch müssten die von Bund und Ländern national bereitgestellten Mittel für Wald-Sofortmaßnahmen an klare ökologische Kriterien geknüpft werden. Öffentliches Geld dürfe nur fließen, wenn es der Stärkung des Waldökosystems diene, wie einer naturverträglichen Waldwirtschaft, dem Waldumbau, der ökologischen Wiederbewaldung und der dauerhaften Ausweisung von Naturwäldern. Eine Subventionierung der Forstwirtschaft, die den Status quo erhält und auf eine Maximierung des Holzertrags hinwirkt, dürfe es nicht geben.

Auf diese Weise würden künftig wieder mehr Hecken, Bäume, Feldränder, Brachflächen, artenreiche Wiesen und Weiden sowie Moore erhalten bleiben und als Klimasenken Kohlenstoff binden. Gleichzeitig könne sich so die Artenvielfalt erholen. „EU-weit müssen darüber hinaus mindestens 15 Milliarden Euro pro Jahr für Landwirte und Waldbesitzer als Anreize für weitergehende Naturschutzmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden. Den Schutz unserer Lebensgrundlagen gibt es nicht zum Nulltarif", so Miller.

Bislang machen die EU-Agrarsubventionen rund 40 Prozent des EU-Haushalts aus, mehr als sechs Milliarden Euro fließen pro Jahr nach Deutschland. „Verglichen mit anderen Branchen hat die Landwirtschaft einen großen Vorteil: Das Geld für den notwendigen Wandel ist da. Die 60 Milliarden Euro aus Brüssel müssen nur umwelt- und klimafreundlich verteilt werden. Doch ausgerechnet der Deutsche Bauernverband und das Bundeslandwirtschaftsministerium versuchen diese Reform nach Kräften zu verhindern. Damit schaden sie ihrer eigenen Branche“, so Miller.


Wald vor lauter Bäumen sehen

“Man glaubt, besser zu wissen, was die Natur braucht, als die Natur selbst. Das hat noch nie geklappt, das klappt auch heute nicht.” Peter Wohlleben im Interview.

Von Melanie Aldrian, Greenpeace-Online, 24.9.19

Es brennt. Und das wortwörtlich. Waldbrände sind neben Dürre und Insektenschäden nur eines der sichtbaren Zeichen für die Krise, in der auch der Wald in Deutschland steckt. Es ist vor allem der Mensch, der die Wälder so geschwächt hat, dass sie den Auswirkungen der Klimakrise nicht standhalten können. Doppelt bitter, denn es sind die Wälder, die uns maßgeblich im Kampf gegen die Klimakrise und das Artensterben unterstützen könnten.

Im Sommer 2019 ist die Waldkrise nun auch in der Politik angekommen. Die für die heimischen Wälder zuständige Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) spricht von Sofortmaßnahmen und will dafür Geld aus dem Klimafonds zur Verfügung zu stellen. Am 25. September hat sie zu einem Waldgipfel geladen, um Sofortmaßnahmen einzuleiten wie die Räumung und Aufforstung von Schadflächen und einen langfristigen Waldumbau. Wir haben Peter Wohlleben im Vorfeld getroffen und gefragt, was er von den angekündigten Plänen hält und was der Wald wirklich braucht.

Greenpeace: Wie steht es um den Wald in Deutschland?

Peter Wohlleben: Leider schlecht. Aber das liegt nicht am Klimawandel, sondern vor allem an der Forstwirtschaft. Wir haben in Deutschland eine Art Massenbaumhaltung, die der Holzproduktion dient. Wo früher Wälder standen, werden heute Plantagen betrieben. Das heißt, wenige unterschiedliche Baumarten im selben Alter, die in Reih und Glied stehen und meist nicht an den Standort angepasst sind, weil sie gepflanzt wurden. Geerntet werden diese Bäume in jungen Jahren mit schweren Maschinen, die den Boden so verdichten, dass er kaum noch Wasser speichert und die Wurzeln ersticken. Hinzu kommen Helikopter, die während der Brutzeit ganze Waldgebiete mit Insektiziden vergiften, weil Monokulturen so anfällig sind wie Maisfelder. Da darf man sich nicht wundern, dass die heimischen Wälder nicht widerstandsfähig genug sind, um klimatischen Veränderungen standzuhalten und dass Bäume reihenweise sterben.

Das ist ein düsteres Bild. Trifft das auf alle heimischen Wälder zu?

Nein, es gibt auch positive Beispiele wie den Stadtwald Lübeck. Dieser Wald wird so bewirtschaftet, dass er fast wie ein Urwald leben kann. Er kann sich dadurch besonders gut runterkühlen - teilweise um bis zu acht Grad mehr als Plantagenwälder. So kann er Hitze und Trockenheit besser aushalten und der Klimakrise momentan noch sehr gut standhalten. Wenn wir in ganz Deutschland solche naturnahen Wälder hätten, dann hätte ich momentan keine Sorgen.

Apropos Sorgen, im Sommer 2019 ist die Waldkrise nun auch in der Politik angekommen. Ministerin Klöckner spricht von Sofortmaßnahmen und will dafür Geld aus dem Klimafonds zur Verfügung zu stellen. Was halten Sie davon?

Ministerin Klöckner möchte den Wald ausräumen, möchte den Wald umbauen und möchte wiederaufforsten. Das ist Plantagen-Forstwirtschaft, das hat mit Waldschutz nichts zu tun. Diese ganzen Subventionen drehen sich um den Wald als Holzlieferanten, doch das ist eine schwerwiegende Themenverfehlung: Es geht längst um die Frage, ob wir in 50 Jahren überhaupt noch Wald haben. Wollen wir das, dann müssen wir den Wald sich erholen lassen.

Kann er das überhaupt noch alleine schaffen?

Wälder gibt es seit über 300 Millionen Jahren. Menschen gibt es seit 300.000 Jahren. Förster erst seit 300 Jahren. Wälder haben das die meiste Zeit ganz prima selber hinbekommen und die können das auch heute noch. Wir müssen sie dazu nur in Ruhe lassen.

Was bedeutet in Ruhe lassen? Keinen Holzeinschlag mehr?

Indem man Bäume absägt, stört man den Wald, klar. Aber die Frage ist doch, ob man das ganze Ökosystem dadurch zerstören muss, so wie es derzeit noch der Fall ist. Wenn man große Waldflächen vor der Säge schützt und außerhalb dieser Schutzgebiete Holz behutsam in geringeren Mengen erntet und mit heimischen Baumarten arbeitet, dann wird man in Zukunft beides haben: Holz und widerstandsfähige Wälder, die außerdem noch zum Klimaschutz beitragen.

Müssen dafür auf den geschädigten Flächen neue Bäume gepflanzt werden, wie es beispielsweise Ministerin Klöckner vorschlägt?

Bäume pflanzen klingt ja zunächst ganz gut, aber Frau Klöckners Wiederaufforstungspläne sind leider genau das Gegenteil von Naturschutz. Auf einem Hektar Kahlfläche kommen von Natur aus bis zu 100.000 Sämlinge von selber. Das würde überprägt, wenn man dort etwas hineinpflanzt. Man glaubt, besser zu wissen, was die Natur braucht, als die Natur selbst. Das hat noch nie geklappt, das klappt auch heute nicht.

Also keine Bäume pflanzen?

Doch, aber auf zusätzlichen Flächen wie beispielsweise landwirtschaftliche Flächen auf denen aktuell noch Tierfutter angebaut wird. Für den Klimaschutz ist es aber vor allem wichtig, alte Wälder zu erhalten. Diese speichern pro Quadratkilometer bis zu 100.000 Tonnen CO2, junge Wälder erstmal nur wenig.

Stimmen aus der Forstwirtschaft schlagen vor, man solle künftig verstärkt auf Baumarten setzen, die nicht heimisch sind, aber besser mit klimatischen Veränderungen umgehen können. Was sagen Sie dazu?

Förster können Forste machen. Echten Wald kann nur die Natur machen. Wenn wir Baumarten aus anderen Ländern holen, die teilweise schon dort Probleme haben, dann importieren wir Probleme, die wir hier nochmal quadrieren. Es macht keinen Sinn, in der Natur herumzupfuschen. Es gibt übrigens auch heimische Arten, die den klimatischen Veränderungen standhalten können wie zum Beispiel Feldahorn, Hainbuche oder auch Eichen. Aber viel wichtiger als auf einzelne Baumarten zu schielen, ist es, auf intakte Ökosysteme zu schauen: Ungestörte Waldökosysteme können unabhängig von der Baumart sehr viel abfedern, weil die Bäume alle zusammenarbeiten und sich zum Beispiel durch gemeinsame Verdunstung runterkühlen.

Zum Abschluss noch eine Frage zum Waldgipfel. Glauben Sie, dass Politik und Forstwirtschaft auf dem richtigen Weg sind und wirksame Maßnahmen einleiten?

Verfolgt man die Debatte im Vorfeld, wird schnell klar: Es geht um ein 'Weiter so!' Gerne würde ich die Ministerin und die Leiter der Forstabteilungen persönlich wachrütteln. Ihnen scheint immer noch nicht klar zu sein, dass es mittlerweile um die Frage geht, ob wir in 50 Jahren überhaupt noch Wald haben werden.




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