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Aktuell

Living Planet Report 2016

Planet am Limit

WWF-Report: Menschheit verbraucht 60 Prozent mehr Ressourcen als Erde bereithält
Living Planet Index: Weltweiter Rückgang von Tierbeständen um 58 Prozent
WWF fordert Paradigmenwechsel: Brauchen neue Definition von Wohlstand und Erfolg


WWF-Pressemitteilung, 27.10.16

Die Menschheit verbraucht jedes Jahr 60 Prozent mehr Ressourcen, als die Erde innerhalb dieses Zeitraums regenerieren und damit nachhaltig zur Verfügung stellen kann. Setzt sich diese Entwicklung ungebremst fort, sind 2030 zwei komplette Planeten nötig, um den Bedarf an Nahrung, Wasser und Energie zu decken. Das ist das Ergebnis des „Living Planet Reports 2016“, den die Naturschutzorganisation WWF am Donnerstag in Berlin vorgelegt hat. Laut dem globalen Zustandsbericht nehmen die ökologischen Reserven der Erde immer weiter ab. So zeigt etwa der Living Planet Index, der den Zustand der weltweiten biologischen Vielfalt erfasst, steil nach unten. Für die vergangenen vierzig Jahre wurde ein Rückgang von 58 Prozent gemessen. Damit haben sich die über 14.000 untersuchten Tierpopulationen mehr als halbiert.

„Die Menschheit treibt die Erde in einen lebensbedrohlichen Burn-Out. Dagegen hilft nur ein tiefgehender Paradigmenwechsel“, warnte Christoph Heinrich, Vorstand Naturschutz beim WWF Deutschland, bei der Veröffentlichung des Reports. „In einer Welt mit begrenzten Ressourcen muss deren nachhaltige Nutzung endlich zu einer der obersten Handlungsmaximen von Politik und Wirtschaft werden. Wir brauchen eine neue Definition von Wohlstand und Erfolg, die die Gesundheit von Individuen, der Gesellschaft und der Umwelt einbezieht.“ Nur bei einem verringerten ökologischen Fußabdruck könnten auch zukünftige Generationen überhaupt mit einem hohen Wohlstandsniveau rechnen.

Die Auswirkungen des Raubbaus sind laut WWF bereits heute spürbar: Dürre und extreme Wetterereignisse, Hungersnöte oder Artensterben nehmen immer dramatischere Ausmaße an. Insgesamt sind vier von neun ökologischen Belastungsgrenzen, die die Stabilität der planetaren Lebensräume definieren, überschritten: beim Klimawandel, dem Verlust der Biodiversität, der Landnutzung sowie den biogeochemischen Kreisläufen von Stickstoff und Phosphor.

Gegen die Folgen des globalen Burn-Outs lassen sich weder Staaten noch Märkte dauerhaft abschotten. Daher warnt WWF-Vorstand Heinrich vor nationalen Egoismen und Verzagtheit seitens Wirtschaft oder Politik und fordert die zügige Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsagenda durch die Mitgliedsstaaten. Die Sustainable Development Goals (SDG) und das Klimaschutzabkommen von Paris müssten mit konkreten, nationalen Maßnahmen hinterlegt werden. Hier hat ausgerechnet Deutschland seine Vorreiterrolle eingebüßt.

„Die Bundesrepublik darf vor den entscheidenden Reformen nicht zurückschrecken, sondern muss die notwendigen Transformationsprozesse als Chance und Wettbewerbsvorteil begreifen“, fordert Heinrich, auch mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl und die Ausrichtung zukünftiger Regierungspolitik. „Wir brauchen eine erfolgreiche Energiewende, eine ökologisch ausgerichtete Landwirtschaft und ein Finanzsystem, das Zukunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit im Fokus hat.“ Leider sende die deutsche Politik derzeit jedoch andere Signale aus.

„Bei internationalen Klimaschutzkonferenzen wurden in der Vergangenheit spektakuläre Fortschritte erzielt. Doch bei der konkreten Umsetzung, geht der deutschen Politik die Luft aus. Der Entwurf des Klimaschutzplans 2050 wird gerade bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt“, sagt Heinrich. Von einem konkreten Plan für den Kohleausstieg sei beispielsweise gar nichts mehr zu lesen, obwohl die Bundesrepublik, wenn sie die Paris-Beschlüsse ernst nehme, bis spätestens 2035 aus dieser Stromerzeugung aussteigen müsse.

Auch eine Agrar-Wende ist laut WWF-Vorstand überfällig: „Die Fleischproduktion muss sich grundlegend wandeln. Wir beanspruchen in Südamerika ausgedehnte Flächen auf denen mit Soja das derzeit wichtigste Futtermittel der konventionellen Tiermast angebaut wird. Darunter leiden wertvolle Ökosysteme wie Savannen und Regenwälder.“ Der Fokus müsse stattdessen auf einer natur- und landschaftsverträglichen Produktion im Inland liegen. An diesen Leitlinien müsse die Agrar-Subventionspolitik auf nationaler wie europäischer Ebene ausgerichtet werden.

Hintergrund

Der Living Planet Report misst die Veränderungen der weltweiten Biodiversität und des menschlichen Konsums. Die Studie wird alle zwei Jahre vom WWF gemeinsam mit der Zoologischen Gesellschaft London (ZSL) und dem Global Footprint Network (GFN) erstellt.

Der Ökologische Fußabdruck hat sich seit 1966 verdoppelt. Seit mehr als 40 Jahren nutzen die Menschen mehr natürliche Ressourcen, als die Erde erneuern kann. Der Fußabdruck gibt die Beanspruchung der Ökosysteme durch den Menschen an und misst die biologisch produktive Landfläche (Biokapazität), die zur Bereitstellung erforderlich ist.

Der Living Planet Index (LPI) erfasst den Zustand der biologischen Vielfalt. Er basiert auf Daten zu 14.152 untersuchten Populationen von Wirbeltierarten auf der ganzen Erde. Für den Zeitraum von 1970 bis 2012 ermittelt der globale LPI einen Rückgang von 58 Prozent.

Ökologischen Belastungsgrenzen beschreiben biophysikalischer Prozesse, die die Stabilität der Erde garantieren. Für jeden Prozess werden Grenzwerte festgelegt, die nicht überschritten werden sollten. Doch genau das ist inzwischen bei vier der neun Prozesse geschehen.

Living Planet Report 2016 (deutsche Kurzfassung)

Living Planet Report 2016: Risk and resilience in a new era


Pariser Klimaabkommen erfordert radikale Transformation der Wirtschaft statt fragwürdige Technologien zum Klimaschutz

Pressemitteilung von BUND, MISEREOR und Heinrich-Böll-Stiftung, 28.10.16

Berlin/Aachen: Eine Woche vor Inkrafttreten des Pariser Klimaschutzabkommens haben das Werk für Entwicklungszusammenarbeit Misereor, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und die Heinrich-Böll-Stiftung die Staatengemeinschaft zu wirksamen Klimaschutzmaßnahmen und einer gerechten sozial-ökologischen Transformation aufgerufen. Dringend erforderlich seien der Ausstieg aus der Kohleverstromung, eine drastische Verringerung der CO2-Emissionen in der Landwirtschaft, der Schutz von Wäldern und Böden und die Abkehr von fossilen Brennstoffen im Verkehrssektor.

In einer gemeinsamen Publikation mit dem Titel „Kurswechsel 1,5 Grad. Wege in eine klimagerechte Zukunft“ stellen die Organisationen die Gefahren der Erderwärmung für Ernährung und Ökosysteme dar und analysieren sogenannte negative Emissionstechnologien wie Geoengineering, Klimakompensation und den Anbau von Energiepflanzen. Diesen fragwürdigen Technologien werden Konzepte zur Einhaltung des in Paris vereinbarten 1,5-Grad-Ziels gegenübergestellt, die Klimagerechtigkeit und Armutsbekämpfung in den Mittelpunkt rücken.

„Es ist unvernünftig, kostspielig und ökologisch riskant, auf unerprobte Projekte zur Speicherung klimaschädlicher Gase oder zur chemischen Behandlung der Erdatmosphäre zu setzen. Wir brauchen rasche, realistische und wirklich wirksame Lösungen wie den Kohleausstieg, den beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien, das Verbot von Verbrennungsmotoren und den Schutz von Wäldern und Böden. Werden diese unerlässlichen Maßnahmen verschoben und stattdessen fragwürdige Technologien gefördert, dann schließt sich das kurze Zeitfenster für wirksamen Klimaschutz“, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger.

Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, sagte: „Klar ist, dass effektiver Klimaschutz und eine gerechte, nachhaltige Entwicklung nur gemeinsam gedacht werden können. Eine Zukunft für die Menschen auf diesem Planeten ist nur möglich, wenn wir nicht auf großtechnologische Lösungen setzen, sondern Energie- und Agrarwende schnellstmöglich vorantreiben. Denn Technologien wie das Geoengineering setzen darauf, in Zukunft CO2 aus der Atmosphäre zu saugen oder Sonnenlicht von der Erde fernzuhalten. Das ist eine gefährliche Ablenkung von den notwendigen Schritten, die wir bereits heute umsetzen können. Mit dem Pariser Abkommen ist der Kurswechsel überfällig.“

„Die vage Hoffnung, wir könnten mit den Folgen eines um drei oder mehr Grad erwärmten Erdplaneten irgendwie umgehen, ist mehr als trügerisch. Es liegt mit in unserer Verantwortung, für das Leben von Millionen von Menschen Sorge zu tragen, indem wir uns konsequent für eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf maximal 1,5 Grad einsetzen. Dies ist nicht nur eine technische, sondern auch eine gesellschaftliche und kulturelle Herausforderung, der wir uns nicht entziehen dürfen, die wir aber gemeinsam leisten können“, erklärte MISEREOR-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel.

Die gemeinsame Publikation „Kurswechsel 1,5 Grad. Wege in eine klimagerechte Zukunft“ ist im Internet zu finden unter www.bund.net/pdf/kurswechsel




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