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25. Todestag Chico Mendes

Erinnerung an Chico Mendes zu seinem 25. Todestag

Von Oliver Salge, Greenpeace-Blog, 21.12.13

Francisco Alves Mendes Filho (1944-1988), alias Chico Mendes, hätte gut und gerne einer jener Tausenden von Landarbeitern werden können, die im riesigen Amazonas Dschungel von der Militärregierung ignoriert werden würden. Sie sah, wie viele Vertreter der heutigen Regierung, viele Regionen des Landes nur als Entwicklungszone, bei der eher Rohstoffe und finanzielle Gewinne für einige wenige im Mittelpunkt des Interesses stand, nicht die vielen Menschen, die im Wald und vom Wald leben. Vom intakten Wald, wohlbemerkt.

Aber es kam anders: Chico kam mit einer kleinen Gruppe Menschen zusammen, die verstand, dass etwas gegen die stetige Unterdrückung und Ausbeutung der Natur getan werden müsse. Sie verstanden, dass dies nicht alleine gehen würde, sondern dass die vielen tausend Gemeinden mit ähnlichen Problemen sich vereinen müssten, um sich gemeinsam gegen die Neukolonisierung einsetzen zu können. Chico war Teil dieser Gruppe und wurde später die Ikone ihrer Bewegung für den Schutz des Regenwaldes und seiner Bewohner.

Er fing als Kind in der Kautschukplantage an zu arbeiten, lernte von seinem Vater. Das Lesen und Schreiben erlernte er erst als Volljähriger. Mitte der 70er-Jahre war Chico jedoch in der Lage, so mit Worten umzugehen, dass die Menschen ihm zuhörten. Er bezog Stellung, übernahm diverse Aufgaben in lokalen Arbeiterorganisationen und fing an, diverse Gruppen zu vernetzen. Dies geschah nicht ohne Kenntnis der damaligen Regierung und jener Geschäftsleute, dessen „Entwicklungsmodell“ und Handeln er kritisierte.

Chico wurde der Leiter der Landarbeitergewerkschaft und engagierte sich sein Leben lang für die Rechte der Kautschukzapfer und protestierte gegen die Wegnahme des Landes auf dem sie ihr Kautschuk zapften. Er war selber Kautschukzapfer, der tagelang im Regenwald umherstreifte, um die Kautschukbäume anzuzapfen und das weiße flüssige Gummi in kleinen stinkigen Bällen einzusammeln. Er kannte ihre Probleme, ihre Nöte und hatte all dies am eignen Leib erfahren. 1977 war er Mitbegründer der Gewerkschaft der Kautschukzapfer, in deren Namen er die Viehzüchter und die Holzindustrie aufgrund der stetig fortschreitenden Waldzerstörung kritisierte. Er trat für den Schutz des Waldes ein, da sie die Lebensgrundlage der Tausenden von Kautschukzapfern und Paranusssammlern sind. Als Chef der Landarbeitergewerkschaft in dem brasilianischen Bundesstaat Acre hatte Chico kein ungefährliches Leben. Er wurde in der Militärdiktatur Brasiliens mehrfach verhaftet und inhaftiert. Dies betraf auch seine Freunde und Mitstreiter für ein besseres und moderneres Brasilien.

Chicos Freund und Partner Wilson Pinheiro wurde 1980 erschossen. Er hatte sich als Wortführer mit anderen im Urwald vor die anrückenden Bulldozer gestellt um zu verhindern, dass diese den Wald roden und diesen unwiederbringlich zerstören. Doch Chico ließ sich davon nicht aufhalten und führte seine Arbeit fort. Als er diverse Morddrohungen bekam, bat er um Hilfe, doch die Behörden ignorierten die konkrete Gefahr. Am 22. Dezember 1988 wurde er von einem Großgrundbesitzer und dessen Sohn erschossen.

Mendes war Kämpfer für den Waldschutz

“Es ist erstaunlich, wie wenig sich geändert hat. Bedrohung und die Abwesenheit des Gesetzes gehen heute weiter, wo wir für unsere Wälder kämpfen“, sagt Joaquim Belo, der derzeitige Präsident des Nationalkongresses der Menschen in ausgewiesenen Schutzwäldern. Für ihn ist es der großer Verdienst von Chico Mendes, das große Schutzgebiete gegründet wurden, in denen das Sammeln von Nüssen oder von Kautschuk ermöglicht wird. Das Roden des Waldes aber nicht. Chico hatte für solche Gebiete geworben. Wälder, die geschützt sind vor totaler Zerstörung, aber in denen Paranüsse und Kautschuk gesammelt werden können. Joaquim Belo sieht in solchen Gebieten die Nutzung des Waldes in einer nachhaltigen Art und Weise, in Balance mit der Natur. Knapp 16 Millionen Hektar solcher Waldgebiete sind in den letzten Jahren entstanden,;eines trägt heute den Namen von Chico Mendes.

Doch heute sind diese in den letzten zehn bis 15 Jahren errichteten Gebiete durch „Entwicklungsfantasien ohne die Menschen“ erneut bedroht. Die gegenwärtige Regierung fördert die Entwicklung als führende Weltmacht im Export diverser landwirtschaftlicher Produkte. Unterstützt von den Großgrundbesitzern und Großfarmern werden diese und andere Schutzgebiete in Frage gestellt. Die Entwicklung geht sogar so weit, dass bestehende Nationalparks und Indianerschutzgebiete von heutigen brasilianischen Parlamentariern, die die Interessen der Großfarmer vertreten, in Frage gestellt werden und diese sich dafür aussprechen, die Schutzgebiete zu beschneiden oder schlicht landwirtschaftliche Tätigkeit in ihnen zuzulassen.

Diverse dieser Gebiete etwa rund um die Amazonas-Stadt Santarem sind schon heute nur mehr auf dem Papier geschützt. Im März 2012 konnte ich solch ein Gebiet per Überflug zuerst in Augenschein nehmen und dann mit dem Auto aufzusuchen, um festzustellen, dass Holzfäller in den Wald illegal eingedrungen waren und hunderte Edelholzstämme zum Abtransport nach Santarem aufgestapelt hatten. Sie waren selber nicht mehr vor Ort, als ich mit einigen meiner Kollegen im Wald eintraf. Ein klassischer Fall illegaler Holzfällungen, wie er im Amazonas tausendfach passiert, gerade in den sogenannten Schutzgebieten für die Nutzung des Waldes auf eine nachhaltige Art, z.B. durch das Sammeln von Paranüssen oder das Fällen von einzelnen Stämmen. Der Holzsektor ist noch heute wie zu Zeiten von Chico Mendes in illegale Machenschaften verstrickt, so dass einige Experten davon ausgehen, dass die Mehrheit des heute aus Brasilien exportierten Holzes illegalen Ursprunges ist.

Die Regierung von Dilma Rousseff hat bisher keine neuen Waldschutzgebiete (Extraktive Reserve) errichtet und ist damit stark hinter das Erbe ihres Vorgängers Lula da Silva zurückgefallen, in dessen Amtszeit zahlreiche Schutzgebiete erschaffen wurden. Sie bietet wenig Anzeichen zur Hoffnung auf Besserung. Zwar wird öffentlich wiederholt, dass man die Rechtsdurchsetzung fördern will, aber die Fakten sprechen eine andere Sprache. Da wird etwas die Umweltpolizei massiv geschwächt oder die Waldschutzgesetze unter Dilma Rousseff verwässert. Dies ist nicht gerade förderlich für die Durchsetzung von Gesetz und Ordnung. Anderseits fördert Rouseff gigantische Großprojekte, wie etwa Staudammbauten im Regenwald zur Energiegewinnung, bei denen nicht nur tausende Ureinwohner entweder ihren Lebensraum verlieren werden oder ihr Leben nicht mehr so wie heute leben können, da das aufgestaute Wasser ihren Wald und die Flüsse zu stark verändert. Am Dammprojekt Belo Monte ist dies zu beobachten und für die Stauung des Amazonas-Nebenflusses Tapajos ist ein ähnlich großer Staudamm in Planung. Erneuerbare Energie ist in Brasilien wichtig, aber die Erzeugung durch solche Großstaudämme ist nicht die Lösung für den Energiebedarf der wachsenden Rohstoffverarbeitungsindustrie.

Auch 25 Jahre nach Chico Mendes Ermordung ist es mehr als nötig, sich für den Schutz des Regenwaldes und seiner Bewohner zu engagieren. Joaquim Belo sagt dazu: „Das System von Waldschutzgebieten, Indianerschutzgebieten oder den Waldgemeinschaften ist gefährdet. Wir müssen heute zusammenstehen, um uns gegen die großen Projekte und Investments zu wehren. Sie haben neue Konflikte in diversen Gegenden gebracht und werden für mehr und mehr Chaos sorgen. Für uns alle.“


Der Revolutionär aus dem Regenwald

Er kämpfte für den Erhalt des Regenwaldes und zahlte dafür mit seinem Leben. 25 Jahre nach dem Tod des Gummizapfers Chico Mendes geht die Suche nach der "richtigen Nutzung" des Amazonas weiter.

Von Astrid Prange, Deutsche Welle, 22.12.13

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