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Stellungnahme zur Greenpeace-Studie Rotbuchenwälder

Stellungnahme NW-FVA zur Greenpeace-Studie Rotbuchenwälder

Stellungnahme der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) als gemeinsame Dienststelle der Länder Hessen, Niedersachsen, Sachsen- Anhalt und Schleswig-Holstein zur Greenpeace-Studie „Deutschlands internationale Verantwortung: Rotbuchenwälder im Verbund schützen“

Von Dr. Peter Meyer, Dr. Marcus Schmidt und Prof. Dr. Hermann Spellmann, 6.6.11

Mit der Veröffentlichung der Studie „Deutschlands internationale Verantwortung: Rotbuchenwälder im Verbund schützen“ im April 2011 durch die Umweltorganisation Greenpeace hat eine heftige Naturschutzdebatte ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht - eine Debatte, die um die Frage kreist, wie wir Buchenwälder in ihrer ganzen Vielfalt und typischen Ausprägung in Deutschland erhalten können.

Nach der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt der deutschen Bundesregierung sollen Wälder mit natürlicher Entwicklung bis zum Jahr 2020 5 % der Waldfläche Deutschlands und 10 % des öffentlichen Waldes bedecken. Bisher ist keineswegs klar, welchen Umfang ungenutzte Wälder zurzeit in Deutschland haben. Eine entsprechende Bilanz wird daher zurzeit in einem vom Bundesamt für Naturschutz geförderten Verbundprojekt von der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA), dem Waldbau-Institut der Universität Freiburg und dem Institut für Landschaftsökologie und Naturschutz Bühl (ILN) erarbeitet (http://www.nwfva.de/nwe5/index.html). Ungeachtet dieser Tatsache plädiert Greenpeace schon jetzt dafür, rund 260.000 Hektar Buchenwald aus der Nutzung zu nehmen. Greenpeace setzt dabei vor allem auf einen Verbund von großen nutzungsfreien Buchenwäldern.

Aus Sicht eines ökologisch begründeten Waldnaturschutzes sprechen mehrere Gründe gegen diesen Ansatz:
  1. Große Flächen forstwirtschaftlich gepflegter Buchenwälder pauschal aus der Nutzung zu nehmen, dürfte ein wenig effektiver und erst sehr langfristig wirksamer Ansatz sein, um Lebensraum für gefährdete Arten zu schaffen. Da es dringlich ist, die Lebensbedingungen für die auf die Alters- und Zerfallsphase angewiesenen Arten zeitnah zu verbessern, könnte die Maßnahme in vielen Fällen zu spät greifen. Gleichzeitig sind damit enorme Kosten und eine empfindliche Verknappung von Buchenholz verbunden, da sich der Nutzungsverzicht auf die erntereifen älteren Bestände konzentrieren dürfte. Eine wirksame Wiederherstellung dieser Lebensgemeinschaften sollte vielmehr von naturschutzfachlich besonders bedeutsamen Waldbeständen ausgehen (Hotspots-Strategie).
  2. So eingängig der Gedanke ist, dass sich ein Lebensraumverbund positiv auf die Artenvielfalt auswirkt, so mager sind bisher die klaren Belege für eine allgemeingültige Wirksamkeit von Biotopvernetzung. Bei nüchterner Betrachtung wird vielmehr deutlich, dass ausbreitungsfreudige Arten die Unterstützung eines Biotopverbunds nicht benötigen. Dies führt uns die starke Ausbreitung von Wildkatze, Luchs und Wolf eindrucksvoll vor Augen. Hingegen können ausbreitungsschwache Arten Vernetzungselemente oftmals kaum nutzen. Beim Schutz der typischen Artenvielfalt unserer Buchenwälder geht es vor allem um die ausbreitungsschwachen, an Altbäume und Totholz gebundenen Organismen, darunter viele Pilz- und Insektenarten. Hier droht durch eine Fokussierung auf Biotopverbundmaßnahmen eine erhebliche Fehlallokation der ohnehin begrenzten Ressourcen für den Naturschutz.
  3. Rotbuchenwälder sind zwar die in Deutschland von Natur aus dominierende Waldvegetation, doch ist die Palette der natürlichen Waldtypen und Sukzessionsstadien insgesamt wesentlich reichhaltiger. Vielfalt zu bewahren, heißt nicht nur die Vielfalt innerhalb einer Lebensgemeinschaft zu erhalten, sondern auch die Vielfalt der Lebensgemeinschaften selbst zu schützen. Ob Moor-, Bruch-, Auen- oder Schluchtwälder, ob Eichenmischwälder auf Trocken- oder Feuchtstandorten, Deutschland beherbergt neben den Rotbuchenwäldern einen großen Reichtum an weiteren natürlichen Waldgesellschaften. Mit der Überbetonung des Rotbuchenwaldes, der zudem mit einer (wachsenden) Fläche von derzeit ca. 1,7 Millionen Hektar kaum als bedroht gelten kann, legt Greenpeace ein einseitig ausgerichtetes Konzept vor.
Wälder aus der Nutzung zu nehmen, ist eine sinnvolle naturschutzfachliche Maßnahme, um Waldlebensgemeinschaften eigendynamisch zu restaurieren. Die absehbar zunehmende Bedeutung nachwachsender Rohstoffe und regenerativer Energien schränkt den Umfang dieser Maßnahme jedoch zwangsläufig ein. Umso wichtiger ist eine naturschutzfachlich wirksame räumliche Verteilung nutzungsfreier Waldflächen im Rahmen einer multifunktionalen Forstwirtschaft, die von einer belastbaren Bilanz des bereits vorhandenen Bestandes ausgeht. Das Gutachten von Greenpeace greift einer abgewogenen und ökologisch fundierten Lösung vor. Damit bietet es keinen zielführenden Lösungsweg an, sondern trägt eher zur Verhärtung der bereits bestehenden Konflikte um nutzungsfreie Wälder bei.

(Dr. Peter Meyer ist Leiter des Sachgebietes Waldnaturschutz / Naturwaldforschung in der Abteilung Waldwachstum; Dr. Marcus Schmidt ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Sachgebiet Waldnaturschutz / Naturwaldforschung; Herr Dir. Prof. Dr. Hermann Spellmann ist Leiter der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt und Leiter der Abteilung Waldwachstum.)

Greenpeace-Studie




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