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Borkenkäfer

NABU: Borkenkäfer setzen Fichten zu

Miller: Waldumbau ist dringend notwendig - naturnahe Wälder sind widerstandsfähiger

NABU Pressemitteilung, 6.9.18

Berlin – In den vergangenen Wochen haben die Waldbrände in Kiefernforsten für bundesweite Aufmerksamkeit gesorgt. In Fichtenforsten ist derzeit eine Vermehrung von Borkenkäfern zu beobachten, die zum Absterben von Fichten führt. Im Rahmen von sogenannten Waldschutzmaßnahmen werden auch Pestizide zum Schutz des Holzes und der angrenzenden Forste eingesetzt.

„Die Fichtenforste machen seit vielen Jahren sehr deutlich, wie anfällig sie gegenüber extremen Wetterereignissen sind. Dürre und Hitze haben in diesem Jahr auch den Borkenkäfer-Befall begünstigt, das Insekt hatte bereits mit einem warmen April optimale Bedingungen. Auch haben durch Stürme vorgeschädigte Wälder dem Borkenkäfer weniger entgegenzusetzen“, sagt NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Besonders betroffen von Borkenkäfermassenvermehrungen dürften Bundesländer mit einem hohen Fichtenanteil sein. Dazu zählen Bayern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Thüringen und Baden-Württemberg.

„Aus den Fehlern der vergangenen Jahrzehnte müssen wir schneller lernen. Gerade im öffentlichen Wald dürfen wirtschaftliche Interessen beim Waldbau nicht das Maß der Dinge sein. Es zeigt sich immer wieder – je naturnäher der Wald, desto weniger anfällig ist er gegen extreme Wetterereignisse, die durch den Klimawandel immer häufiger auftreten“, so Miller weiter.

Die Fichte (Picea abies) gehört zum natürlichen Baumartenspektrum in Deutschland. Allerdings käme sie von Natur aus in Deutschland nur in den höheren Lagen der Mittelgebirge und in den Alpen vor. Auf Grund der Nutzungsgeschichte der Wälder und den ökonomischen Interessen der Forst- und Holzindustrie hat die Fichte heute immer noch einen Anteil von 25 Prozent, mit abnehmender Tendenz.

Durch die Bildung von Harz können sich die Fichten gegen Borkenkäfer wehren. Zur Harzbildung wird Wasser benötigt, welches momentan den Bäumen aufgrund der anhaltenden Trockenheit nicht zu Verfügung steht. Gleichzeitig profitieren die Borkenkäfer von den hohen Temperaturen und können sich gut vermehren. Zur Bekämpfung der Borkenkäfer werden auch Pestizide im Rahmen der sogenannten Polterspritzung, wobei im Wald lagerndes, geerntetes Holz mit einem Insektizid behandelt wird, eingesetzt.

„Wir können aber nicht über Jahre mit Gift gegen die Klimaveränderung ankämpfen. Kurzfristige Lösungen sind nicht vorhanden. Mittel- bis langfristig hilft nur der Waldumbau hin zu naturnahen Laub- und Mischwäldern. Der Trend der Forstwirtschaft, Fichten durch Douglasien und andere schnellwachsende Nadelbaumarten zu ersetzten, verhindert die Entwicklung naturnaher Waldstrukturen und muss beendet werden“, fordert der NABU-Waldexperte Stefan Adler.


Borkenkäfer und Artenschutz oder: Nichts tun hilft manchmal mehr

NeFo-Pressemitteilung, 7.9.18

Der Borkenkäfer ist eines der gravierendsten Schadinsekten Europas. 2017 fielen ihm allein in Bayern 3,5 Millionen Festmeter Holz zum Opfer, was einen wirtschaftlichen Ausfall von 100 Millionen Euro nach sich zog. Der extrem warme Sommer könnte das Ausmaß in diesem Jahr sogar noch erhöhen. Doch während er die wirtschaftlichen Ziele der Waldbesitzer bedroht, kann der Käfer maßgeblich dabei helfen, das forstpolitische Ziel standortgerechter, strukturreicher Mischwälder voranzubringen. Und den Artenschutz. Denn einige bedrohte Tierarten wie etwa Mopsfledermaus oder Auerhahn profitieren von den abgestorbenen Fichten, hat Mareike Kortmann von der Universität Würzburg herausgefunden. Ihre Ergebnisse stellt die Biologin am 12. September bei der Jahrestagung der Gesellschaft für Ökologie in Wien vor.

Die Fichte stellt mit rund 26 Prozent die häufigste Baumart unseres Waldbestandes dar. Zehn Prozent der Wälder sind reine Fichtenwälder (Bundeswaldinventur Stand 2012). Fichten sind zwar besonders schnellwachsend, jedoch auch besonders störungsanfällig. Um die Wälder in Deutschland gegen Schädlinge und Trockenheitsereignisse wie in diesem Sommer, die durch den Klimawandel künftig öfter zu erwarten sind, fit zu machen, sollen sie artenreicher werden, so die Bundeswaldstrategie 2020. „Waldumbau“ heißt dieser Vorgang, weg von eng stehenden lichtarmen Holzplantagen hin zu einem vielfältigen Waldbiotop, das wieder Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten bereitstellt und so die biologische Vielfalt in Deutschland erhöht. Auch die Stabilität der Wälder gegen Störungsereignisse soll so erhöht werden, und die wird es durch den Klimawandel künftig wesentlich häufiger geben.

Von einem verjüngten lichten Mischwald mit verschiedener Alters- und Höhenstruktur profitieren viele Tierarten, die sich im reinen Nadelbaumwald nicht wohl fühlen, darunter bedrohte Arten, deren Bestände wieder vergrößert werden sollen. Die Doktorandin Mareike Kortmann vom Biozentrum der Universität Würzburg hat sich drei solcher bedrohten Arten herausgegriffen und deren Reaktion auf die durch Borkenkäferbefall bedingte Waldveränderung genauer angesehen: neben dem Auerhahn und dem Haselhuhn auch die Mopsfledermaus.

Sie gehört in Westeuropa zu den gefährdetsten Fledermausarten überhaupt und dank ihrer größten Verbreitung auf Bundesgebiet zu den Arten nationaler Verantwortlichkeit Deutschlands. Die Mopsfledermaus jagt in Wäldern, aber auch an Hecken, Waldrändern und Lichtungen vornehmlich Nachtfalter. Ihr Lebensraum ist vorzugsweise in laubwaldreichen Gebieten mit hohem Alt- und Totholzanteil, wo sie quartier in Stammrissen oder hinter der abstehenden Borke von Bäumen bezieht. Diese Strukturen fehlen jedoch meist in kommerziell bewirtschafteten, ausgeräumten Fichtenwäldern. Der Borkenkäfer, der in relativ kurzer Zeit große Mengen an Totholz und offeneren Strukturen schafft, könnte für diese Art also von Vorteil sein.

Um die Veränderungen der Waldstruktur und die Lebensraumnutzung durch die Tiere zu erfassen, kombinierten die Forschenden akustische Untersuchungen, Funk-Telemetrie und Luftbildaufnahmen (LiDAR). Tatsächlich konnten die Forscher zeigen, dass die Lebensraumveränderungen in den Versuchswäldern durch den Borkenkäfer die untersuchten Arten begünstigten. So zeigten die Mopsfledermäuse in den von vom Borkenkäfer veränderten Waldarealen verstärkte Futtersuchaktivität, was durch den gelichteten Flugraum erleichtert wird. Wochenstubenkolonien fanden sich ausschließlich in den durch den Käfer abgestorbenen Bäumen, wo unter loser Borke neue Schlafplätze entstanden. Dabei bevorzugten sie Bäume mit größerem Durchmesser.

Auch Auerhahn und Haselhuhn waren häufiger in den durch den Käfer gestörten Wald zu finden. Die größere Heterogenität des Waldes nach dem Befall, etwa verschieden hohe Bäume verschiedener Arten, kam den Lebensraumansprüchen der beiden Arten näher, etwa der durch den stärkeren Lichteinfall ermöglichten Unterwuchs, wo sich die Tiere verstecken und brüten können.

„Unsere Ergebnisse bestätigen das Potential des Borkenkäfers, Lebensräume für geschützte Arten zu schaffen und zu verbessern“, sagt Mareike Kortmann. „Dies trifft auch auf weitere Arten zu, beispielsweise auf insektenfressende Vögel, da die Nahrungsverfügbarkeit zunimmt“. Borkenkäferausbrüche können also in bewirtschafteten Wäldern als restauratives Instrument für die Waldbewirtschaftung genutzt werden, um die Strukturvielfalt zu erhöhen und so die Lebensraumqualität zu verbessern. Allerdings reduziert die Entnahme käferbefallener Bäume diesen positiven Effekt, weshalb die Forscher empfehlen, dickere tote Bäume stehen zu lassen.

„In solchen Ausmaßen wie im Bayerischen Wald ist das natürlich in einem Wirtschaftswald nicht möglich“, sagt Mareike Kortmann im NeFo-Interview. Bei extensiv bewirtschafteten Wäldern, in denen Naturschutz betrieben werden soll, sei das Dulden des Borkenkäfers jedoch eine relativ aufwandsarme Option. „Gerade in Gebirgsregionen, in denen wegen der schlechten Erreichbarkeit forstliche Eingriffe sehr schnell sehr teuer werden und sowieso ein geringerer wirtschaftlicher Anspruch besteht, bieten Borkenkäferausbrüche eine gute Möglichkeit für den Naturschutz“, meint Kortmann.

Dass der Borkenkäfer grundsätzlich ein Instrument zur Förderung geschützter Arten darstellt, lässt sich jedoch nicht verallgemeinern. „Schließlich hat jede Art ihre eigenen Ansprüche an ihren Lebensraum und reagiert anders auf Veränderungen“, sagt die Biologin. Ein Beispiel aus Arizona, USA zeigt, dass die Populationen des Roten Eichhörnchen nach großräumigen Absterbeereignissen von Fichten und Tannen durch Schädlinge dramatisch schwanden. Hier sei noch einiges an Forschung nötig.




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