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Die WestLB-Pipeline (Hintergrund)


Ecuador besteht aus dem dicht besiedelten Küstengebiet im Westen, der Andenregion und dem dünn besiedelten, wenig erschlossenen Ostteil (Oriente) im Amazonasbecken. Die verschiedenen Waldtypen am Amazonas und insbesondere die Nebelwald-Relikte an den Andenhängen stehen unter Wissenschaftlern im Ruf, die artenreichsten der Erde zu sein. Insbesondere Pflanzen- und Vogelwelt (z.B. im Mindo-Nambillo-Nebelwald-Reservat in den Anden nordwestlich von Quito) ziehen so viele Wissenschaftler und Naturliebhaber an, dass viele Kommunen in der Region vom Ökotourismus leben können und Ökotourismus ein wichtiger Devisenbringer wurde. Der Staat hat eine Reihe von Nationalparks und andere Schutzgebiete eingerichtet, um der Natur einen gewissen Schutz zu geben. In den Regenwäldern Amazoniens leben noch viele indigene Gruppen in selbstgewählter Isolation, die ihre Kultur durch den westlichen Lebensstil gefährdet sehen. Große Regenmengen spielen eine kritische Rolle in den Regenwäldern, für Mensch und Natur. Die steilen Hänge der Anden können leicht erodieren, sind aber auch sonst geologisch sehr aktiv, was sich durch eine große Zahl von Erdbeben und aktiven Vulkanen zeigt.

Unter diesen Bedingungen entschloss sich die Regierung von Ecuador 1970, zur Erschließung der Ölfelder im Oriente sich von TEXACO eine erste Pipeline, genannt SOTE, quer über die Anden bauen zu lassen. Im Laufe der nächsten 20 Jahre hat TEXACO 1,5 Mrd. Barrel Rohöl mit veralteter Technik aus dem Amazonasregenwald gefördert, die Erde an 350 Stellen mit Förderabfällen verseucht und damit das Trinkwasser für fast 30.000 Menschen nachhaltig vergiftet sowie Tausende Fälle von Krebs- und Hauterkrankungen verursacht (seit 1993 läuft in den USA eine Klage gegen TEXACO). Danach wurde der Betrieb der Pipeline von der staatlichen Petroecuador übernommen. Schlechte Technik, wenig Wartung, Erdrutsche, Schlammlawinen, aber auch Sprengstoffanschläge der kolumbianischen Guerilla FARC haben immer wieder zu Leckagen in der Pipeline geführt, in den letzten 3 Jahren waren es alleine 14 größere. In den 30 Jahren Pipeline-Betrieb sind dabei schätzungsweise 63,6 Mio. Liter Rohöl ins Erdreich geflossen, 30 Menschen kamen bei Unfällen und Anschlägen um, viele weitere wurden verletzt bzw. werden vermisst.

Durch die Förderung von Erdöl wurde Ecuador international kreditwürdig. In den 30 Jahren seit Inbetriebnahme der Pipeline stiegen die Auslandsschulden von 217 Mio. auf 16,4 Mrd. US-$. Ecuador hat mit ca. 1.100 $ die höchste Pro-Kopf-Verschuldung Lateinamerikas. Trotzdem hat sich in Ecuador von 1979 bis 1990 die Zahl der Armen fast verdoppelt, die Anzahl der Arbeitslosen sogar vervierfacht. Experten machen Korruption, instabile Ölpreise und unkluge Investitionsentscheidung für das Elend der Bevölkerung trotz der reichhaltigen Finanzmittel verantwortlich. Das meiste Geld aus dem Ölgeschäft fließt mittlerweile in den Schuldendienst, im Jahre 2000 blieben nur 100 Mio. von 2,4 Mrd. US-$ im Land.

Seit 10 Jahren schon gibt es die Idee, die Ölförderung im Oriente durch den Bau einer zweiten Pipeline zu fördern. Die politische und wirtschaftliche Instabilität (u.a. viele Bankpleiten) des Landes sowie die technischen Probleme der Durchführung ließen das Projekt ruhen, bis Internationaler Währungsfonds und Weltbank wegen der immensen Auslandsschulden Druck auf die Regierung ausübten, die Erdölförderung zu erhöhen und ausländische Firmen beim Pipelinebau zuzulassen. Die Regierung beschloss im Programm Apertura 2000 ("Öffnung"), seine Erdölförderung zu verdoppeln und dazu die Erdölinfrastruktur (Pipelines, Raffinerien) zu privatisieren. Bei der öffentlichen Ausschreibung für den neuen Pipelinebau gewann das teuerste Angebot des ausländischen OCP-Konsortiums, das kurz nach Zusage seine Kostenschätzung auf 1,1 Mrd. US-$ verdoppelte. Korruptionsvorwürfe, v.a. gegen den Energieminister, konnten nicht bewiesen werden, gelten aber als begründet. Schließlich begann die OCP schon ein Jahr vor Zusage mit Kahlschlägen in privaten Schutzgebieten zur Demarkierung der Strecke. Weitere illegale Kahlschläge auf Privatgrundstücken folgten, worauf der Umweltchef der Baufirma seit letztem Oktober mit Haftbefehl gesucht wird.

Im Februar 2001 unterschrieb die OCP eine 20-Jahres-Konzession zum Bau, Besitz und Betrieb der Pipeline, die 75% der Einnahmen dem Konsortium und 25% dem Staat zukommen läßt. Da die vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsstudie nicht erstellt worden war, musste diese schnell in zwei Monaten nachgeholt werden, worauf im Juni das Projekt endgültig genehmigt wurde. Der Bau begann im August. Die Pipeline soll im Juli 2003 in Betrieb gehen. Finanziert wird das Projekt mit einem 17-jährigen Kredit über 900 Mio. US-$ von einem Bankenkonsortium unter Leitung der WestLB. Weitere 200 Mio. US-$ wurden unter Vermittlung von Citibank und Deutscher Bank als einjähriger Stand-By-Kredit einer Teilfirma des OCP-Konsortiums gewährt, um seine Ölförderung im Yasuni-Nationalpark, einem UN-Biosphären-Reservat, zu ermöglichen.

Da die bekannten Ölreserven im Oriente nur 10 Jahre reichen, rechnet die Regierung mit verstärkter Exploration und neuen Förderanlagen im Wert von 2 Mrd. US-$. Die Mehrheit der Ölreserven wird in Nationalparks, Wildlife-Reservaten und Indianerterritorien von indigenen Gruppen vermutet, die wenig kontaktiert sind und Widerstand gegen eine Ölförderung angekündigt haben. Einigen Indigenen wurde ihr Land aber von Ölkonzernen für ein paar Mehlsäcke, einen Fußball und ähnliches abgekauft. Auch andere Landbesitzer wurden zum Verkauf gezwungen oder sogar enteignet. Dieses Jahr sollen neue Konzessionen in 2,4 Mio. Hektar Urwäldern und Indianergebieten vergeben werden: Der Ölboom ist in vollem Gange. Experten rechnet mit einer endgültigen Erschöpfung der Ölreserven von Ecuador nach 20 Jahren. Danach muss das Land Erdöl importieren. Die Regierung spricht von 5000 direkten und 50000 indirekten Arbeitsplätzen während der kurzen Bauphase. Langfristig gibt es allerdings durch die Pipeline nur 300-400 hochspezialisierte Arbeitsplätze, von denen v.a. ausländische Spezialisten profitieren. Die Arbeitsplatz-Verluste im Ökotourismus und die Zerstörung der indigenen Subsistenzwirtschaft wurden dabei nicht einberechnet.
 

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