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Aktuell

Am Tag vor Rio+20

Rio, die Zweite

Von Sigrid Totz, Greenpeace-Online, 19.6.12

Es geht um nicht weniger als die Rettung unseres Planeten. Trotzdem sind die Erwartungen an den Erdgipfel, der vom 20. bis 22. Juni im brasilianischen Rio de Janeiro stattfinden wird, gering. Was sich in den vergangenen 20 Jahren getan hat, zeigt das Greenpeace Magazin 4/2012.

Die Konferenz der Vereinten Nationen über nachhaltige Entwicklung (UNCSD) wird kurz Rio+20 genannt, denn sie steht in der Tradition eines UN-Gipfeltreffens, das vor 20 Jahren am gleichen Ort stattfand.

Damals, 1992, befand sich die Welt in Aufbruchstimmung. Der Kalte Krieg zwischen Ost und West war friedlich zu Ende gegangen. Nach fast 50 Jahren des Wettrüstens von Ideologien und Waffen waren die Gedanken und Gelder endlich frei für Herausforderungen, vor denen die Menschheit als Ganzes stand: die Versorgung einer ständig wachsenden Weltbevölkerung und die Eindämmung der zunehmenden Umweltzerstörung.

Erstmals räumten die Regierungschefs von 172 Staaten ein, dass es so nicht weitergehen kann. In der Agenda 21 postulierten sie eine "nachhaltige Entwicklung" als ihr gemeinsames Ziel. Sie sollte "den Bedürfnissen der heutigen Generation entsprechen, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden".

Entscheidend dafür: Als größte Nutzer und Verschmutzer der Umwelt bekannten sich die Industriestaaten zu ihrer besonderen Verantwortung. Konventionen, die den Klimawandel, den Artenschwund und die Ausbreitung der Wüsten stoppen sollen, wurden auf den Weg gebracht und den Entwicklungsländern Unterstützung zugesichert.

Doch die großen Hoffnungen wurden bald enttäuscht. Denn es fehlten konkrete Ziele, klare Fristen und verbindliche Zusagen. Und so wurde bis heute kaum ein Ziel erreicht, kaum ein Versprechen gehalten. 20 Jahre später reist Angela Merkel nicht einmal persönlich zum Erdgipfel, sondern schickt stattdessen ihren Umwelt- und ihren Entwicklungshilfeminister. Sie wollen mit den Vertretern der anderen Staaten über das Leitthema einer Grünen Ökonomie diskutieren. Was das genau sein soll, ist unklar und politisch hoch umstritten. Der alternative Gipfel der Völker kritisiert eine mögliche Vermarktung von Naturressourcen und fordert stattdessen eine radikale Abkehr vom Dogma des Wirtschaftswachstums.


Rio minus 20?

EU und Deutschland müssen Umweltgipfel retten

BUND Pressemitteilung, 19.6.12

Rio de Janeiro/Berlin: Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat davor gewarnt, dass 20 Jahre nach dem ersten Weltumweltgipfel der Aufbruch zu mehr Nachhaltigkeit, zu mehr Umwelt- und Klimaschutz zum Stillstand kommen oder dass es in Rio sogar ein Rollback geben könnte. "Wird die Abschlusserklärung in ihrer jetzigen Form verabschiedet, kommt dies einer Bankrotterklärung für den Rio-Prozess gleich", sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Der von der brasilianischen Regierung vorgelegte Entwurf enthalte bisher keinerlei konkrete Nachhaltigkeitsziele. Bundesumweltminister Peter Altmaier und die EU müssten sich in den kommenden drei Tagen auf dem Rio-plus-20-Gipfel für deutliche Verbesserungen beim globalen Umwelt- und Naturschutz einsetzen, forderte Weiger.

Die derzeitige Abschlusserklärung öffne der Förderung der Atomkraft und fossilen Energieträgern, beides verpackt hinter dem Begriff "grüne Umwelttechnologien", Tür und Tor. Damit könne die Zerstörung der menschlichen Lebensgrundlagen nicht gestoppt werden.

"Die Welt hat mit der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen ein inakzeptables Schuldenniveau erreicht. Anstatt jetzt gegenzusteuern, droht ein "Weiter so". Dieser Weg führt in ungeahnte Katastrophen. Einer wachsweichen Rio-plus-20-Erklärung müssen Deutschland und die EU ihre Stimme verweigern. Stattdessen müssen sie sich für einen "Weltrettungspakt" einsetzen, der diesen Namen auch verdient", sagte der BUND-Vorsitzende in Rio.

Zu einem solchen Pakt gehörten verbindliche Ziele zum Schutz der Meere, zum Stopp der Waldzerstörung sowie ein klares Nein zur Atomkraft und zum Bau von Großstaudämmen. Dringend erforderlich sei auch die Abkehr von fossilen Energieträgern. Die Ausweitung der Agro-Gentechnik und der Produktion von Agro-Sprit müssten ebenfalls gestoppt werden, sagte Weiger.

Das Konzept der auf dem Rio-plus-20-Gipfel debattierten "Grünen Wirtschaft" greife zu kurz. "Ein grün angestrichenes Wirtschaften wird den Herausforderungen der Umwelt-, Klima- und Nahrungsmittelkrise nicht gerecht. Wenn in Brasilien mit Gen-Soja, Biosprit und Futtermitteln für den Export die biologische Vielfalt und die Ernährungssicherheit gefährdet werden, dann sind auch jene daran beteiligt, die in Europa spritfressende Autos oder die Massentierhaltung zulassen und fördern", sagte der BUND-Vorsitzende.

Zur Abwehr von Umwelt-, Klima- und Naturkrisen müsse in Rio die Kluft zwischen politischen Absichtserklärungen und politischem Handeln geschlossen werden. Dafür sei auch die Aufwertung des Weltumweltprogramms UNEP zu einer eigenständigen UN-Organisation wie beispielsweise der UNESCO überfällig.

Weiger: "Rio muss klare Signale aussenden: Die Welt braucht mehr erneuerbare Energien, keine umweltschädlichen Subventionen, Reformen in der Landwirtschaft und eine ökologische Neuausrichtung des Verkehrs. Nur wenn der Gipfel dies beschließt, hat er sich gelohnt."


Rio-plus-20-Gipfel als Chance

Altmaier muss Umwelt- und Klimaschutz wieder zur Regierungspolitik machen

BUND Pressemitteilung, 17.6.12

Berlin: Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat Bundesumweltminister Peter Altmaier aufgefordert, sich beim Weltumweltgipfel nächste Woche in Rio de Janeiro vor allem für den Schutz des Klimas, der Artenvielfalt und der Gewässer einzusetzen. "Rio ist die erste internationale Bewährungsprobe für Altmaier. Bedauerlicherweise hat Bundeskanzlerin Merkel eher die Finanz- als die Umweltkrise auf dem Schirm. Damit steigen für Altmaier die Chancen, sich in Rio seine ersten Meriten im internationalen Umweltschutz zu verdienen", sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. "In Rio müssen vor allem die Versuche der Industrie zurückgewiesen werden, ihrem Tun oder Lassen einen grünen Tarnanstrich zu geben. Wir werden den neuen Bundesumweltminister daran messen, ob er sich dieser Aufgabe stellt oder nicht", sagte Weiger.

Der vor 20 Jahren in Rio begonnene ökologische Aufbruch sei inzwischen in wirtschaftlichem Pragmatismus und in den Krisen des Finanzsystems versandet, so der BUND-Vorsitzende. "Der ungebremste Ressourcenverbrauch und die Missachtung von Nachhaltigkeitszielen gehören zu den Ursachen von Finanz- und Wirtschaftskrisen. Rio-plus-20 muss einen neuen Anfang wagen. Die globale Gemeinschaft muss die Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Leben in einer intakten Umwelt schaffen, und zwar so schnell wie möglich", sagte Weiger.

Inhaltliche Fortschritte erwartet der BUND-Vorsitzende vor allem beim Wald- und Gewässerschutz, beim Ausbau der erneuerbaren Energien und bei der Zurückdrängung der Stromerzeugung in Atom- und Kohlekraftwerken. Weiger: "Mit der begonnenen Energiewende spielt Deutschland durchaus eine teilweise positive Rolle. Viele Staaten schauen auf uns und hoffen, dass wir erfolgreich sind. Nachholbedarf gibt es hierzulande vor allem beim Abbau umweltschädlicher Subventionen, der ökologischen Neuausrichtung des Verkehrs und der Landwirtschaft." Europa insgesamt fehle es noch an Glaubwürdigkeit. So müsse aus Klimaschutzgründen der globale CO2-Ausstoß bis 2030 um etwa 40 Prozent sinken. Die EU wolle ihre Klimagase bis 2020 jedoch nur um 20 Prozent senken, weitergehende Ziele gebe es nicht.

"Das naturzerstörende Modell des ungebremsten Wachstums ist kein Vorbild für die Weltgemeinschaft", sagte der BUND-Vorsitzende. "In Südamerika beispielsweise gefährdet die Massenproduktion von Biosprit, Gen-Soja und Futtermitteln für den Export die Ernährungssicherheit und die biologische Vielfalt. Weltweit wachsen sich die Überfischung der Meere und ihre Vermüllung zu immer größeren Problemen aus. In Rio muss endlich ein Netz großer Meeresschutzgebiete beschlossen werden, in dem auch kein Abbau von Rohstoffen stattfinden darf", forderte Weiger. Die Staaten müssten außerdem das Wissen über Umwelttechnologien und über genetische Ressourcen als öffentliches Gut behandeln und dazugehörige Patente weltweit kostenlos zur Verfügung stellen. Risikotechnologien wie die Atomkraft, die Gentechnik oder die CO2-Einlagerung in die Erde dürften nicht als angeblich "grüne Technologien" gefördert werden.


NABU: UN-Erdgipfel muss Weichen für nachhaltiges Wirtschaften stellen

Tschimpke: Deutschland hat Vorbildfunktion bei Gestaltung einer „Green Economy“

NABU Pressemitteilung, 19.6.12

Berlin – Vom 20. bis 22. Juni, 20 Jahre nach dem ersten Erdgipfel der Vereinten Nationen im Jahr 1992, findet in Rio de Janeiro erneut ein Weltgipfel zur Nachhaltigen Entwicklung statt. NABU-Präsident Olaf Tschimpke nimmt in seiner Funktion als stellvertretender Vorsitzender des Rates für Nachhaltige Entwicklung und als Mitglied der deutschen Regierungsdelegation an der Rio+20-Konferenz teil.

Mit Blick auf den Gipfel nennt der NABU fünf Schwerpunktthemen für eine globale Kehrtwende in der Nachhaltigkeitspolitik: die Sicherung einer umweltfreundlichen Energieversorgung für alle Menschen, die Sicherung der Welternährung im Einklang mit einer naturverträglichen Landnutzung, die Ressourcenschonung durch Abfallvermeidung und Kreislaufwirtschaft, den Stopp der Abholzung von Wäldern und einen verbesserten Schutz der Meeresökosysteme jenseits der nationalen Gesetzgebung.

Der NABU betont, dass diese Ziele einen verbindlichen Rahmen und konkrete Zeitpläne für den Umbau unserer Wirtschafts- und Sozialsysteme benötigen. Nur so kann verhindert werden, dass im Anschluss an die Konferenz nicht unter dem Deckmantel einer „Green Economy“ weiter gewirtschaftet wird wie bisher.

„Deutschland als Industrienation muss eine Vorbild- und Führungsfunktion für die Ausgestaltung einer 'Green Economy' einnehmen. Dazu brauchen wir dringend Fortschritte beim Abbau umweltschädlicher Subventionen vor allem für fossile Energien und eine nicht-nachhaltige Agrarwirtschaft. Stattdessen müssen Steuern und Abgaben weniger die Produktivität und Arbeitskraft belasten, sondern hohe Umweltbelastungen bestrafen und neue Produktions- wie Konsummuster mit weniger Ressourcenverbrauch fördern“, so Tschimpke.


'Dalai Lama des Regenwaldes' fordert bei Rio+20 Schutz des bedrohtesten Volkes der Welt

Survival International Deutschland e.V. Pressemitteilung, 19.6.12

Der "Dalai Lama des Regenwaldes" hat von Regierungen auf der Rio+20 Konferenz den Schutz des bedrohtesten Volkes der Welt gefordert: Die teilnehmenden Staaten müssten Brasilien drängen, illegale Abholzung auf dem Land der Awá-Indianer zu stoppen.

Vor der Start der UN-Konferenz erklärte der international bekannte Indianer-Anführer Davi Kopenawa Yanomami, dass der Schutz der Landrechte der Awá der einzige Weg sei, das Überleben des indigenen Volkes zu sichern.

Er beschrieb die Awá als seine "Brüder" und sagte: "Die Awá müssen mit ansehen wie ihr Wald abgeholzt wird - schneller als jeder andere im Amazonasgebiet. Wie viel länger will die Regierung noch warten, um die illegalen Siedler, Viehzüchter und Holzfäller auszuweisen und das Gebiet der Awá endlich effektiv zu schützen?"

Davi Kopenawa wurde als Anführer der langjährigen Kampagne zum Schutz seines Volkes international bekannt. Der Yanomami-Sprecher nimmt an der Konferenz in Rio teil und forderte von allen Anwesenden, "die brasilianische Präsidentin zu fragen, wann sie plant etwas zu tun."

Am Dienstag veröffentlichten die Awá anlässlich der Konferenz ein eigenes Video, in dem sie die brasilianische Regierung auffordern, die illegale Abholzung ihrer Heimat zu stoppen. "Wir sind auch Menschen, ihr könnt Euch nicht von uns abwenden ... Ihr könnt uns helfen diese Menschen fern zu halten, die Holzfäller. Ihr könnt sie ausweisen und sie dazu bringen, unser Land zu verlassen," erklärt Amiri, ein Angehöriger der Awá, in dem Video.

Als Reaktion auf Survival Internationals Kampagne zum Schutz der Awá hat die Staatsanwaltschaft im Bundesstaat Maranhão eine Untersuchung eingeleitet. Bisher gibt es jedoch wenige Hinweise darauf, dass illegale Holzfäller tatsächlich zur Verantwortung gezogen werden. Marta Azevedo, die neue Leiterin der brasilianischen Indianerschutzbehörde (FUNAI), hat kürzlich bei einer Reise nach Maranhão die "extreme Anfälligkeit" des Landes anerkannt. Sie bezeichnete die Region als eine Top-Priorität.

Stephen Corry, Direktor von Survival International, sagte heute: "Wenn wir eine Sache vom Erdgipfel 1992 gelernt haben, dann, dass gut gemeinte Versprechen ohne konkrete Handlungen nichts wert sind. Die brasilianischen Behörden müssen auf ihre Versprechen verpflichtet werden: Wenn das Land der Awá nicht geschützt wird, sind sie in nochmal 20 Jahren verschwunden."


Rio+20: Binationales Schutzgebiet für unkontaktierte indigene Gemeinschaften im brasilianisch-peruanischen Grenzgebiet gefordert

GfbV Pressemitteilung, 19.6.12

Führende Vertreter der wichtigsten Dachorganisationen indigener Gemeinschaften des Amazonasgebiets fordern in der brasilianisch-peruanischen Grenzregion ein binationales Schutzgebiet für unkontaktierte indigene Gruppen. Auf einer von der Gesellschaft für bedrohte Völker International (GfbV) organisierten Informationsveranstaltung (Side Event) im Rahmen des Nachhaltigkeitsgipfels Rio+20 bekräftigte der Menschenrechtler Franz Fluch am Montagabend (Ortszeit), dass die Bewohner des Regenwaldes ein Recht auf ihre traditionelle Lebensweise hätten und deshalb Waldrodungen, Bergbau und die Errichtung von Kraftwerken in diesem Schutzgebiet strikt verboten werden müssen. Dies sein nicht zuletzt ein wichtiger Beitrag zum weltweiten Klimaschutz, für den ein intakter Regenwald von großer Bedeutung sei. Fluch betonte dabei, dass die ursprüngliche Idee für das Schutzgebiet von indigenen Gemeinschaften stammt, die sich für die in freiwilliger Abgeschiedenheit lebenden Gruppen einsetzen.

„Auch außerhalb dieses Schutzgebietes müssten indigene Gemeinschaften in Verhandlungen über Bauprojekte, Infrastrukturmaßnahmen oder andere Vorhaben auf ihrem Land miteinbezogen werden“, forderte Fluch. Ihr Recht auf freies, informiertes und vorheriges Einverständnis (FIVE) sei zwar in der UNO-Deklaration für die Rechte indigener Völker und anderen internationalen Konventionen verankert und gestehe den Betroffenen ausdrücklich einen gleichberechtigten Platz am Verhandlungstisch zu. Dies schließt auch ein, dass sie Vorhaben ganz ablehnen können. Trotzdem werde dieses Recht von den Regierungen in der Regel missachtet. "Für uns ist es wichtig, dass bei allen Projekten das freie, informierte und vorherige Einverständnis von den Amazonas-Staaten nicht nur ratifiziert, sondern auch in die Tat umgesetzt wird", unterstrich Marco Apurinã, Generalsekretär der COIAB*.

Die GfbV International kritisiert, dass die indigenen Gemeinschaften im Abschlussdokument des Gipfels, das die Staatenvertreter noch diskutieren und verabschieden müssen, nicht erwähnt werden. Aus Sicht der Menschenrechtsorganisation wäre es zwingend nötig, das Konzept des FIVE darin zu verankern.

*Auf dem von der GfbV International in Rio organisierten Side Event in Rio sprachen Repräsentanten des Dachverbands der indigenen Völker des peruanischen Amazonasgebietes “Asociación Interétnica de Desarrollo de la Selva Peruana” (AIDESEP), des Dachverbands der indigenen Organisationen des Amazonasgebietes „Coordinadora de las Organizaciones Indígenas de la Cuenca Amazónica” (COICA) und des Dachverbands der indigenen Organisationen des Amazonasgebietes in Brasilien „Coordenação das Organizações Indígenas da Amazônia Brasileira” (COIAB).


Klimaschutz als Chance für Armutsbekämpfung nutzen

Neue Studie bewertet Potential für Entwicklungsländer positiv

Gemeinsame Pressemitteilung von Germanwatch und "Brot für die Welt", 18.6.12

Stuttgart/Bonn/Rio de Janeiro: Wie können Entwicklungsbedürfnisse sowie die steigende Nachfrage nach Energie, Gütern und Dienstleistungen in Entwicklungsländern befriedigt werden, ohne die ökologischen Tragfähigkeitsgrenzen der Erde komplett zu sprengen? Welche politischen Weichenstellungen sind auch in Entwicklungsländern erforderlich, um Klimaschutz und Armutsbekämpfung beziehungsweise die Rechte besonders anfälliger Bevölkerungsgruppen miteinander und nicht gegeneinander zu verwirklichen? Wege zur Lösung dieser Fragen untersucht eine neue Studie zu "Low Carbon Development Strategies and Actions - Challenges and Opportunities for Developing Countries".

Einer der wichtigsten Verhandlungsführer der Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder (LDC), der Gambier Pa Ousman Jarja, wird die Studie zwei Tage vor dem offiziellen Beginn des Nachhaltigkeitsgipfels "Rio plus 20" bei einer Veranstaltung von "Brot für die Welt", dem weltweiten kirchlichen Verband ACT Alliance und Germanwatch kommentieren. Die Veranstaltung findet am Montag, dem 18. Juni um 19.30 Uhr brasilianischer Zeit (Raum P3-E im Rio Centre) statt.

Am Beispiel der Länder Mexiko, Südafrika und Bangladesch untersucht die Studie politische Strategien und Maßnahmen von Entwicklungsländern, um durch den Einsatz erneuerbarer Energien und effizienter Technologien eine ressourcenschonende Entwicklung auf den Weg zu bringen. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Entwicklung geeigneter politischer Rahmenbedingungen für eine kohlenstoffarme Entwicklung noch ganz am Anfang steht und noch kaum belastbare Erfahrungen vorliegen.

"Wir brauchen Vorbilder auch in Entwicklungsländern, die zeigen, wie man den Lebensstandard aller heben kann, ohne die Klimaziele zu gefährden", sagt Thomas Hirsch, Entwicklungspolitischer Beauftragter von "Brot für die Welt" und klimapolitischer Berater der ACT Alliance. Und Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch ergänzt: "Armut bekämpfen durch den Zugang zu erneuerbaren Energien und effizienten Technologien - das ist der Kern einer grünen und fairen Wirtschaft. Es geht um solche Strategien in den einzelnen Regionen und darum, diese international zu unterstützen."

"Brot für die Welt" ist Gründungsmitglied der ACT Alliance. Mit weltweit 160 Mitgliedern und einem jährlichen Finanzvolumen von rund 1,5 Milliarden Euro ist Action by Churches Together (ACT) oder "Kirchen helfen gemeinsam" einer der weltweit größten Verbände der Entwicklungs- und Katastrophenhilfe. Er bündelt das Engagement der protestantischen und orthodoxen Kirchen. Die Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch engagiert sich seit über 20 Jahren für globale Gerechtigkeit und den Erhalt der Lebensgrundlagen. Die Arbeit folgt dem Motto: Hinsehen - Analysieren - Einmischen.

Die Studie "Facing the Future. Low Carbon Development Strategies and Actions - Challenges and Opportunities for Developing Countries" finden Sie unter http://bfdw.de/rio20act


Australien schafft weltgrößtes Netzwerk von Meeresschutzgebieten

WWF begrüßt starkes Signal für Meeresschutz vor dem Umweltgipfel Rio+20

WWF Pressemitteilung, 15.6.12

Hamburg - Im Vorfeld zum Rio+20 Erdgipfel kündigt Australien die Ausweisung des weltgrößten Netzwerkes an Meeresschutzgebieten an. Indem es ein Drittel seiner Meeresflächen unter Schutz stellt, setzt Australien ein starkes Zeichen für Meeresschutz. „Das ist ein echter Meilenstein für den Schutz der Ozeane“, freut sich Stephan Lutter, Meeresschutzexperte beim WWF. Besonders wertvoll sei die Verflechtung der marinen Schutzzonen. „In verbundenen Schutzgebieten können sich wandernde Arten wie Wale, Haie, Schildkröten und Fische ausbreiten und wieder ansiedeln. Die Durchmischung der Populationen stärkt den Genpool und damit die Widerstandsfähigkeit einer Art gegen Umwelteinflüsse.“ Auch wirbellose Tiere wie Korallen vermehren und verbreiten sich mit der Strömung. Sie treiben als Plankton durchs Meer bis sie sich an geeigneter Stelle festsetzen.

Das Herzstück des neuen Schutzgebietsnetzwerkes in Australien ist der Coral Sea Meerespark, der an das Great Barrier Reef grenzt. „Weil es weit in der offenen See liegt, ist dieses Korallengebiet noch weitgehend unberührt und intakt geblieben. Es ist als Rückzuggebiet und Kinderstube für viele Meerestiere und Fische besonders wertvoll“, so WWF-Experte Lutter weiter. Meist werden Meeresschutzgebiete in Küstennähe statt auf offener See ausgewiesen. Grundsätzlich sieht der Experte beim Meeresschutz allerdings erheblichen Handlungsbedarf. „Weniger als zwei Prozent der Weltmeere stehen bisher überhaupt unter Schutz“, verdeutlicht Stephan Lutter. An Land seien es immerhin rund 15 Prozent. Gemäss internationalen Abkommen sollen bis 2020 rund 10 Prozent der Ozeanfläche unter Schutz stehen. Ebenso hat sich die Staatengemeinschaft beim letzten Umweltgipfel in Johannesburg verpflichtet bis 2012 repräsentative Netzwerke von Schutzgebieten, die unterschiedliche marine Arten, Lebensräume und Ökosysteme schützen, zu errichten. Der WWF fordert die Weltgemeinschaft zum Umweltgipfel in Rio auf, dem Beispiel Australiens zu folgen und die Selbstverpflichtung mit Nachdruck umzusetzen.

Viele der weltweit ausgewiesenen Meeresschutzgebiete bestehen zudem nur auf dem Papier, werden aber faktisch gar nicht ausreichend geschützt vor der Überfischung, den schädlichen Auswirkungen des Tourismus oder den Zerstörungen, wie sie Erdöl- und Gasbohrfirmen anrichten. Laut dem WWF ist es entscheidend, dass die Behörden die neuen Schutzgebiete in Australien konsequent umsetzen. Dafür brauche es Kernzonen, die ganz in Ruhe gelassen werden, fischereifreie Bereiche und Pufferzonen, die sicherstellen, dass nicht angrenzend zu den Schutzgebieten nach Gas und Erdöl gebohrt wird. Auch in deutschen Meeresschutzgebieten in Nord- und Ostsee vermisst WWF-Experte Lutter konkrete Schutzmaßnahmen. „In deutschen Schutzgebieten wird immer noch jeder Quadratkilometer befischt. Wir fordern, dass 50 Prozent der Schutzzonen nutzungsfrei bleiben.“


Proteste gegen Mega-Staudamm

Während der „Völkergipfel“ in Rio mit Schaufeln und Hacken Aufmerksamkeit sucht, arbeiten Diplomaten an einem Kompromissvorschlag für die Konferenz.

Von Gerhard Dilger, 18.6.12

RIO DE JANEIRO taz. Mit einer Protestaktion gegen den Amazonas-Staudamm Belo Monte hat am vergangenen Wochenende der „Völkergipfel“ vor der Rio+20-Konferenz angefangen, die vom 20. bis 22. Juni in der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro stattfindet. Während am Zuckerhut der legendäre Kayapó-Häuptling Raoni Metuktire die Ablehnung der Indígenas gegen das Megaprojekt bekräftigte, marschierten am Amazonas-Nebenfluss Xingu 200 Menschen mit Schaufeln, Hacken und Pickeln zur Baustelle. Dort öffneten die Aktivisten symbolisch einen Kanal, um den natürlichen Flussverlauf wiederherzustellen.

Dann pflanzten sie 500 Acai-Palmen, um das durch die Bauarbeiten bereits beschädigte Flussbett wieder zu stabilisieren. Schließlich stellten sie 200 Kreuze für die ermordeten Amazonas-Verteidiger auf. „Wir lassen uns nicht zum Schweigen bringen“, erklärte die Indigene Sheyla Juruna, „wir werden den Bau noch stoppen.“ Gegenüber der taz sagte der Staatsanwalt Felício Pontes in Rio, es seien noch vierzehn Prozesse gegen Belo Monte anhängig. Wegen des großes Drucks der Öffentlichkeit rechnet er sich gute Chancen aus, dass die Klagen gegen den „völlig irregulären, verfassungswidrigen Bau“ bald beim obersten Gerichtshof in Brasília landen.

Das Milliardenprojekt ist das sinnfälligste Symbol für Brasiliens Wachstumsdrang und Energiehunger: 8.000 Arbeiter bauen 17 Stunden am Tag an dem drittgrößten Staudamm der Welt. 2015 soll die erste Turbine in Betrieb gehen, die hochsubventionierte Wasserkraft ist größtenteils für Stahl- und Aluminiumwerke bestimmt. Europäische Firmen wie Andritz, Siemens oder Daimler-Benz verdienen kräftig mit. Doch für Zehntausende bedeutet das Kraftwerk Zwangsumsiedlung und Umweltzerstörung, für weitere Staudämme in Amazonien hat die Regierung Anfang des Jahres Naturschutzgebiete verkleinert.

Während die „Zivilgesellschaft“ an der malerischen Flamengo-Bucht im Zentrum Rios ein breites Themenspektrum abarbeitet, bemühen sich Brasiliens Topdiplomaten um einen Kompromissvorschlag für die Abschlusserklärung des UN-Gipfels. Dabei werde die größere Verantwortung des Nordens für die Umweltkrise bekräftigt, sagte der brasilianische Außenminister Antonio Patriota. Des Weiteren will Brasilien den Meeresschutz in den Vordergrund der Konferenz rücken.

Über einen Fonds zur Finanzierung „nachhaltiger“ Entwicklungsprojekte in den Ländern des Südens unter ausdrücklicher Berücksichtigung des Technologietransfers soll nun bis zum Jahr 2014 eine Einigung erzielt werden. Die Industrieländer hatten einen Vorschlag zurückgewiesen, hierfür einen Fonds mit 30 Milliarden US-Dollar jährlich einzurichten.

Brasilien könnte einen Rückschritt verhindern, doch die Abschlusserklärung werde kaum Lösungen für die Sorgen der Menschheit bieten, sagte Asad Rehman vom Umweltnetzwerk Friends of the Earth. Er kritisierte den „fehlenden politischen Willen, gegen die Klimakatastrophe, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich und ein unhaltbares Konsumverhalten anzugehen, das durch ein bankrottes Wirtschaftssystem gefördert wird“.

(Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors)


Wieder mal die Welt retten

In der nächsten Woche tagt erneut der Umweltgipfel von Rio. Die Schlagzeilen werden die gleichen wie vor 20 Jahren sein. Würden uns gute Nachrichten überfordern?

Von Bernhard Pötter, taz, 16.6.12

http://www.taz.de/20-Jahre-nach-dem-Rio-Umweltgipfel/!95371/


Waldaufforstung kommt in Fahrt

Gute Nachricht für die Umwelt. Mehrere Länder, vorneweg die USA, wollen zerstörte Waldgebiete wieder aufbauen. Insgesamt geht es um eine Fläche, die über viermal so groß ist wie die Schweiz.

/dpa) - 18. Juni, 2012

http://www.haz.de/Nachrichten/Wissen/Uebersicht/Waldaufforstung-kommt-in-Fahrt


Wälder weiter in Gefahr

Der Waldschutz hat sich nach der letzten Rio-Konferenz nicht grundlegend verbessert

Von Benjamin Haerdle, Neues Deutschland, 15.6.12

http://www.neues-deutschland.de/artikel/229736.waelder-weiter-in-gefahr.html


Keine Rettung für den Regenwald

Brasilianische Holzfäller, Viehzüchter und Sojabauern fordern immer mehr Anbauflächen

Von Julio Segador, Deutschlandradio, 18.6.12

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/weltzeit/1786990/




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