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Pestizide bedrohen Artenvielfalt

Pestizide bedrohen Artenvielfalt

Eine Studie der „Task Force on Systemic Pesticides“ zeigt die vielfache Gefährdung von Ökosystemen und der Artenvielfalt durch schädliche Agrargifte wie die Neonicotinoide

Greenpeace-Online, 25.6.14

Seit gut 20 Jahren gehört der Einsatz sogenannter "systemisch" wirkender Insektizide wie Neonicotinoide zum Standardinstrument der industriellen Landwirtschaft. "Systemisch“ beschreibt ihre Eigenschaft, von den behandelten Pflanzen aufgenommen und in der ganzen Pflanze verteilt zu werden. So finden sich die Gifte von der Wurzel bis in Blätter, Nektar und Pollen, in allen Pflanzenteilen wieder. Lange wurde die schädliche Wirkung dieser Pestizide in landwirtschaftlich genutzten Ökosystemen unterschätzt. Mittlerweile ist ihre Beteiligung am weltweit beobachteten Bienensterben wissenschaftlicher Konsens und hat in der EU zu Teilverboten für zuletzt vier Agrargifte geführt.

Gravierende Folgen für Ökosysteme

Die Auswirkungen des bedenkenlosen Einsatzes der Pestizide könnte noch weitaus gravierender sein als bisher befürchtet. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der „Task Force on Systemic Pesticides“, eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern, die verschiedene Publikationen und wissenschaftliche Arbeiten ausgewertet haben. Analysiert wurden nicht nur die Auswirkungen auf Bienen und andere Bestäubungsinsekten, sondern auch auf Säugetiere, Vögel, Fische, Reptilien und Amphibien.

Das Ergebnis ist eindeutig, alle Organismengruppen kommen über verschiedene Wege mit systemisch wirkenden Giften und deren Abbauprodukten in Kontakt. „Alle Resultate zeigen: die von Neonicotinoiden ausgehende akute Gefahr nicht nur für Bienen und andere Bestäubungsinsekten, sondern auch für Wasserorganismen, Regenwürmer und Vögel kann nicht länger bestritten werden“, sagt Dirk Zimmermann, Landwirtschaftsexperte von Greenpeace. „Zudem ist es erschreckend, dass die Giftigkeit systemischer Pestizide für viele Arten überhaupt noch nicht bekannt ist. Wir wissen viel zu wenig über diese Gifte, aber alles was wir wissen, ist erschütternd.“

Langzeit Gefährdung durch Pestizide

Die Studie kommt außerdem zu dem Ergebnis, dass die Pestizide deutlich langlebiger sind als bisher angenommen. Im Boden können sie teilweise über Jahre ihre gefährliche Wirkung entfalten. Auch der Zerfall macht die Gifte nicht unbedingt unschädlich: Abbauprodukte können auf einige Organismen sogar noch giftiger wirken als die Ausgangssubstanzen.

Die Wissenschaftler zählen zudem eine Vielzahl von chronischen und sogenannten „subletalen“ (nicht direkt tödlichen, aber äußerst schädlichen) Auswirkungen auf: Geschmackssinn und Erinnerungsvermögen werden beeinträchtigt, die Fruchtbarkeit kann verringert sein, die Futtersuche behindert, das Verhalten verändert, die Flugfähigkeit gestört oder die Anfälligkeit für Krankheiten und Parasiten erhöht werden. In der Folge verändern sich ganze Populationen und Lebensgemeinschaften, Hummelkolonien beispielsweise wachsen langsamer und produzieren weniger Königinnen.

Ökologische Landwirtschaft ist die Lösung

Der bedenkenlose Einsatz von hochgiftigen Pestiziden gefährdet nicht nur die Artenvielfalt, sondern setzt die Zukunft der Nahrungsmittelproduktion aufs Spiel. Unersetzbare Dienstleistungen des Ökosystems werden außer Kraft gesetzt, etwa die natürliche Regulierung von Schädlingen über komplexe Interaktionen in den Nahrungsnetzen auf dem Acker und in naturnahen Landschaften.

„Die Konsequenz aus den veröffentlichten Ergebnissen und den gravierenden Wissenslücken kann nur eine sein: wir brauchen Totalverbote für die zurzeit lediglich mit Anwendungsbeschränkungen belegten Neonicotinoide und Fipronil“, so Zimmermann. „Wir brauchen eine Landwirtschaft, die mit der Natur arbeitet und nicht gegen sie! Immer mehr Chemie auf dem Acker kann und darf nicht die Lösung sein. Nur ökologische Anbaumethoden können langfristig die Pestizidspirale durchbrechen und nachhaltig hochwertige Lebensmittel erzeugen.“


Obama will Bienen schützen

Wenn sich der Nutzen von Tieren in ökonomischen Zahlen darstellen lässt, dann werden auch Regierungen aktiv. US-Präsident Obama will das massenhafte Bienensterben aufhalten.

Greenpeace-Online, 23.6.14

Neueste Schätzungen aus den USA berechnen den Bestäubungswert von Bienen und wilden Bestäubern alleine in den USA auf 24 Milliarden US-Dollar. Aber auch dort haben Imker mit dem Bienensterben zu kämpfen. Alleine im Winter 2013/14 haben Imker mit einem Verlust von 23 Prozent zu kämpfen. Daher hat Präsident Barack Obama jetzt eine Taskforce eingerichtet, die sich damit befassen will, was Bienen tötet und wie sich das Massensterben aufhalten lässt.

„Das Bienensterben ist ein komplexes Problem,“ sagt Christiane Huxdorff, Landwirtschaftsexpertin bei Greenpeace. „Faktoren wie Klimawandel und Parasiten können nur bedingt beeinflusst werden, der Einsatz von bienengefährdenden Pestiziden lässt sich aber umgehend einschränken und verbieten.“

Pestizidcocktails gefährden die Bienen

In der Studie „Bye Bye Biene?“ hat Greenpeace bereits 2013 sieben Pestizide identifiziert, die umgehend verboten werden müssen, um die Biene und andere Bestäuber vor den akuten und chronischen Auswirkungen besonders bedenklicher Pestizide zu schützen. Vier der von Greenpeace identifizierten Stoffe hat die EU bereits im vergangenen Jahr teilweise verboten, darunter auch die umstrittenen Insektizide aus der Gruppe der Neonicotinoide. Bis 2015 ist die Anwendung dieser Pestizide nur noch eingeschränkt zugelassen. Es ist dringend notwendig, dass ein vollständiges und langfristiges Verbot eingeführt wird.

Aktuelle Untersuchungen von Greenpeace zeigen, dass die Bienen noch immer mit gefährlichen Pestizidcocktails in Berührung kommen. Sowohl im Pollen als auch in Zierpflanzen, die jeder gerne in seinen Garten oder auf seinen Balkon pflanzt, wurden Rückstände bienengefährlicher Pestizide gefunden.

Vergiftete Gewässer

Erst in der vergangenen Woche hat das Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UFZ) eine Studie veröffentlicht, wonach europäische Gewässer stärker durch Chemikalien belastet sind als bislang angenommen. Pestizide aus der Landwirtschaft tragen den Hauptteil dazu bei. Bei 15 Prozent der Gewässer ist die chemische Belastung so hoch, dass es zu akuten Vergiftungen der Gewässerorganismen kommt. Ein ökologisches Risiko besteht sogar bei der Hälfte der europäischen Gewässer.

„Die Pestizidreduktion muss auf allen Ebenen noch viel stärker vorangetrieben als bisher, denn es zeigt sich immer wieder: Derzeit wird bei Weitem noch nicht genug getan, um Gewässer und Umwelt vor dem Eintrag gefährlicher Pestizide zu schützen,“ sagt Huxdorff.

Seit 2013 arbeitet Greenpeace auf europäischer Ebene zum Schutz von Bienen und Landwirtschaft. Das globale Bienensterben ist ein Symptom einer krankenden industriellen Landwirtschaft, die von einseitigen Anbausystem und stetig steigendem Einsatz von Chemikalien geprägt ist.




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