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Aktuell

EU-Energie-Beschlüsse

Europäische Energiewende ausgebremst

EU-Kommission macht Vorschläge zu Energieeffizienz und erneuerbaren Energien
WWF: Schwache Ziele und falsche Ausrichtung gefährden die Energiewende


WWF Pressemitteilung, 30.11.16

Die Kommission der Europäischen Union hat am Mittwoch im sogenannten Winterpaket Gesetzgebungsvorschläge zur Umsetzung der Energieunion vorgelegt. „Mit diesem Paket hätte die Kommission die Grundlage schaffen können für ein europäisches Energiesystem, das auf Erneuerbaren basiert und durch Effizienz sowohl die Umwelt als auch die Verbraucher entlastet. Diese Chance hat die Kommission vertan“, sagt Kristin Reißig, Expertin für internationale Klima- und Energiepolitik beim WWF Deutschland.

„Bei den Vorschlägen zu erneuerbaren Energien fehlt es an Ambition und Umsetzungskraft“, kritisiert Reißig. „Der Anteil von 27 Prozent am Energieverbrauch im Jahr 2030 ist viel zu niedrig, er müsste auf mindestens 45 Prozent erhöht werden. Es gibt außerdem keine klaren Vorgaben, wie dieses schwache Ziel überhaupt erreicht werden soll, wenn es nicht auf die Mitgliedsstaaten heruntergebrochen wird.“

Zudem werden nationale Fördersysteme unnötig eingeschränkt. So gefährden die Kommissionsvorschläge den Einspeisevorrang der Erneuerbaren in Deutschland. „Der Einspeisevorrang unter dem Erneuerbare-Energien-Gesetz ist ein Grundpfeiler der Förderung von Erneuerbaren. Er bietet Investoren Anreiz und Planungssicherheit. Eine Einschränkung des Vorrangs auf sehr kleine Anlagen riskiert künftige Investitionen in die Erneuerbaren“, erklärt Reißig. „Gut funktionierende nationale Fördersysteme brauchen Anerkennung und Schutz durch die EU.“ Mit ihren aktuellen Vorschlägen kann die EU - entgegen der Versprechen durch die Kommission - kaum ihr Ziel erreichen, Weltmarktführer bei den Erneuerbaren zu werden.

Im Strommarktdesign genügt das CO2-Limit für Kapazitätszahlungen nicht, um eine indirekte Kohleförderung durch diese Mechanismen zu verhindern. Mit diesen Zahlungen soll Versorgungssicherheit gewährleistet werden, indem Reserven bereitgestellt werden. „Hier müssen aber CO2-arme Technologien den Vorzug haben. Kohle darf nicht durch die Hintertür subventioniert werden“, fordert Reißig.

Auch die Vorgabe bei der Energieeffizienz reicht trotz Anhebung von 27 auf 30 Prozent bis 2030 und neuer Verbindlichkeit bei Weitem nicht aus. „Für das Jahr 2030 müsste die EU ein Ziel von 40 Prozent veranschlagen, um den Pariser Abkommen gerecht zu werden“, sagt Reißig. „Höhere Ambitionen bei der Energieeffizienz machen gleich in zweierlei Hinsicht Sinn: Zum einen drosselt man so massiv die CO2-Emissionen.“ Berechnungen zufolge verringert ein Ziel von 40 Prozent bis 2030 die europäischen Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um rund die Hälfte. „Zum anderen sparen Verbraucher viel Geld, wenn ihre Energiekosten sinken.“

In den kommenden Monaten werden die Vorschläge der Kommission in den Ministerräten für Energie und Umwelt und im EU-Parlament diskutiert. Mit endgültigen Entscheidungen wird nicht vor 2018 gerechnet. „Jetzt wird es an der Bundesregierung liegen, in Brüssel die Einführung weiterer Hürden für die Erneuerbaren zu verhindern und sich außerdem für mehr Energieeffizienz stark zu machen“, sagt Reißig.


Frostige Zeiten fürs Klima

Kohlekraftwerke subventionieren, Erneuerbare einschränken – die heute beschlossenen EU-Energierichtlinien im „Winterpaket“ sind die falsche Antwort auf den Klimavertrag von Paris.

Greenpeace-Online, 30.11.16

„Winterpaket“ – das klingt ein wenig nach besinnlicher Jahreszeit und Weihnachtsgeschenk. Und tatsächlich birgt das heute von der EU-Kommission veröffentlichte Maßnahmenbündel zur Zukunft der Energiewende einige Überraschungen – fürs Klima sind die allerdings alles andere als angenehm.

Denn das Paket klingt wie die Wunschliste der Kohleindustrie: Der Ausbau der Erneuerbaren soll erschwert, bewährte Fördermechanismen verboten und Kohlekraftwerke künftig subventioniert werden, auch wenn sie gar keinen Strom mehr liefern. „Das Paket legt die deutsche Energiewende in Ketten und tritt das Pariser Klimaabkommen mit Füßen“, sagt Niklas Schinerl, Greenpeace-Experte für Energie „Die noch immer mächtige Kohle- und Atomlobby will sich mit Kapazitätsmärkten eine Lebensversicherung für ihre schmutzigen und gefährlichen Meiler erschleichen.“

Erneuerbare ausgebremst

Denn das Winterpaket setzt den europäischen Rahmen für die Förderung Erneuerbarer Energien, Kapazitätsreserven für Kohlekraftwerke sowie den zukünftigen Strommarkt. Es hat dadurch weitreichende Folgen auch für die deutsche Energiepolitik. So soll etwa der Einspeisevorrang für Erneuerbare Energien, wie er bislang im Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) vorgesehen ist, abgeschafft werden.

Das Ziel des Einspeisevorrangs: Erzeugen Sonne und Wind genug Strom, könnten die schmutzen Kohlekraftwerke zurückgefahren werden. Doch genau das soll nun nicht mehr gelten. Künftig sollen nun ganz offiziell Windparks abgeschalten werden, während Kohlekraftwerke weiterlaufen dürfen. „Ein solches Energiepaket bringt Deutschland um die Früchte der Energiewende“, so Schinerl. „ Es gibt der Kohleindustrie freies Geleit für die Zerstörung des Klimas.“

Energiewende in Gefahr

Zudem macht das Winterpaket garantierte Einspeisevergütungen für Erneuerbare – wir kennen sie als Ökostromumlage – in vielen Ländern nahezu unmöglich. Damit wird die Energiewende in Europa gefährdet. In Deutschland etwa wäre der Ausbau der Erneuerbaren ohne Ökostromumlage nie in der notwendigen Geschwindigkeit vorangekommen. Sie war der Garant dafür, dass sich mehr als eine Million Menschen an der Energiewende beteiligt haben. Durch sie konnten Stadtwerke, Landwirte, Bürger, Genossenschaften in den Ausbau der Erneuerbaren investieren und die Wende voranbringen. Sie galt lange als Vorbild für andere Staaten – durch das Winterpaket der EU-Kommission wird sie beinahe unmöglich.

Besser geht es hier der Kohleindustrie: Alte Kohlekraftwerke, die am Strommarkt nicht mehr rentabel sind, sollen künftig als Reserve bereitgehalten werden, wenn Wind und Sonne nicht genug Strom bringen. So sinnvoll Reservekapazitäten sind, sollten diese jedoch auf die Klimaschutzziele ausgerichtet sein. Doch für diese Reserve gelten vorerst keine Klimaschutzbestimmungen. Nicht das sauberste Kraftwerk soll bereitgestellt werden, sondern das billigste. Egal wie sehr das Klima darunter leidet.

Und so entpuppt sich das Winterpaket der EU-Kommission also als böses Geschenk. Denn fürs Klima bedeuten die beschlossenen Maßnahmen vor allem eins: frostige Zeiten.


EU-Energiepaket bedeutet verlorenes Jahrzehnt für Energiewende

Ausbau von Erneuerbaren und Energieeffizienz bleiben hinter Klimaschutzerfordernissen zurück

BUND Pressemitteilung, 30.11.16

Berlin: Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sieht in dem heute von der EU-Kommission veröffentlichten Energiepaket eine Behinderung der Energiewende in Europa und eine "Schutzgarantie für die alte Energiewirtschaft". Auch beim Energiesparen bringe das sogenannte "Winterpaket" kaum Fortschritte.

"Sowohl das Ziel für den Ausbau erneuerbarer Energien als auch jenes für die Steigerung der Energieeffizienz bleiben weit hinter dem klimapolitisch Notwendigen zurück. Die konkreten Umsetzungsvorschläge der Kommission behindern die Energiewende zusätzlich. Beim Ausbau der erneuerbaren Energien sind die einzelnen Mitgliedstaaten künftig zu nichts mehr verpflichtet und die Kommission lässt die Frage unbeantwortet, wie das europäische Ausbau-Ziel dann erreicht werden soll. Für die Energiewende in Europa droht ein verlorenes Jahrzehnt", sagte die BUND-Energieexpertin Tina Löffelsend.

Löffelsend kritisierte außerdem, dass die Bundesregierung bereits im Vorfeld "kampflos Eckpfeiler der deutschen Energiewende preisgegeben" habe. "Der generelle Einspeisevorrang für erneuerbare Energien soll abgeschafft werden. Er würde in Deutschland künftig nur noch für sehr kleine Anlagen gelten. Das bringt Kohle- und Atomstrom weitere Vorteile und führt zu mehr klimaschädlichen Emissionen." Das dürfe die Bundesregierung nicht zulassen. „Hinzu kommt, dass die Kohle- und Atomindustrie künftig neue Subventionen zum Betrieb ihrer Meiler erhält. Mit der geplanten CO2-Vorgabe werden konventionelle Kohlekraftwerke erst ab 2025 von dieser Förderung ausgeschlossen. Der riskanten CCS-Technologie wird damit Vorschub geleistet. Eine Energiewende sieht anders aus", sagte Löffelsend. Zwar sollen die Belange von Bürgerenergie-Projekten künftig bei der Förderung besser berücksichtigt werden. Der praktische Nutzen bleibe aber abzuwarten, da es auf die Umsetzung durch die Mitgliedsstaaten ankomme. „Deutschland hat mit der EEG-Reform gerade vorgemacht wie ein falsches Fördersystem Energieprojekte von Bürgern kaltstellt. Der künftige Wegfall des Einspeisevorrangs bedroht gerade kleine Bürgerenergie-Anlagen", sagte Löffelsend.

Für die BUND-Expertin ist es "hanebüchen", dass die nationale Erneuerbare-Energien-Förderung unter einen Beihilfe-Vorbehalt gestellt wird. Die EU-Kommission würde so über Verwaltungsakte, die keiner demokratischen Kontrolle unterlägen, die Förderpraxis der Mitgliedsstaaten kontrollieren. "Gegen dieses undemokratische Verfahren müssen sich die nationalen Regierungen wehren. Es muss zudem gewährleistet werden, dass die Förderung Erneuerbarer-Energien-Anlagen künftig nicht nur über Ausschreibungen stattfindet", forderte Löffelsend.

Den Vorschlag der EU-Kommission zur Energieeffizienz-Richtlinie bewertete die BUND-Energieeffizienz-Expertin Caroline Gebauer: "Mit einem Energieeinsparziel von lediglich 30 Prozent verspielt die EU-Kommission die Chance, die Vorteile von mehr Klimaschutz für Wirtschaft, Haushalte und Umwelt zu erschließen. Die Bundesregierung muss sich in Brüssel für ein verbindliches Einsparziel von 40 Prozent einsetzen. Dies entspricht Kosteneinsparungen für Haushalte von über 50 Milliarden Euro, von denen vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen profitieren würden."

Gebauer kritisierte auch, dass bei den Richtlinien zum Ökodesign und zur Energieverbrauchskennzeichnung zusätzliche Möglichkeiten zum Energiesparen verschenkt wurden: "Der neue Ökodesign-Arbeitsplan wurde mit anderthalb Jahren Verzögerung veröffentlicht. Dies wird Unternehmen und Haushalte um Energiekostenersparnisse in Milliardenhöhe bringen. Zudem ist die Liste neuer Produkte, denen sich die EU-Kommission demnächst widmen will, unzureichend. Populistische Argumente wogen bei der Produktauswahl wohl stärker als die Potenziale für Umwelt, Haushalte und Wirtschaft. Die EU-Kommission ist auf dem besten Weg, ihrem stärksten Energiesparinstrument das Wasser abzugraben."




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