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Aktuell

Vertagte Kohlekommission

Klimaschutz in Geiselhaft

Brandenburg und Sachsen verzögern Ergebnisse der Kohlekommission

WWF Pressemitteilung, 22.11.18

Die Kohlekommission wird ihre finalen Ergebnisse nun voraussichtlich erst im Januar vorlegen. Laut Medienberichten hat die Koalition die Arbeit auf Druck ostdeutscher Kohleländer verlängert. Dazu sagt Michael Schäfer, Leiter Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland:

"Die Koalition ist der Kohlekommission auf der Zielgeraden reingegrätscht und gefährdet so den Erfolg der Kommission. Die Bundesregierung lässt zu, dass Dietmar Woidke und Michael Kretschmer den Klimaschutz in Geiselhaft nehmen für die Versäumnisse ihrer Landesregierungen beim Strukturwandel. Statt weiter zu blockieren, müssen die Landesregierungen endlich konstruktiv werden. Mit Stanislav Tillich und Matthias Platzeck im Vorsitz der Kommission hatten und haben Brandenburg und Sachsen jede Gelegenheit, konkrete Vorschläge für den Strukturwandel einzubringen.

Es ist seit Jahrzehnten klar, dass die Braunkohleverbrennung die Erderhitzung anheizt und den weltweiten Verlust von Tier- und Pflanzenarten beschleunigt. Seit Jahrzehnten ist klar, dass wir die Braunkohleverbrennung stoppen müssen, um unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten. Auf einem toten Planeten gibt es keine Jobs. Doch statt den Strukturwandel einzuleiten, haben die Ministerpräsidenten Sachsens und Brandenburgs den Menschen in der Lausitz Sand in die Augen gestreut und den Eindruck erweckt, als könne der Braunkohleabbau weitergehen wie bisher.

Wir fordern die Ministerpräsidenten auf, jetzt endlich Konzepte für den Strukturwandel in der Lausitz vorzulegen, und die Regierung, die Verzögerungstaktik nicht zu akzeptieren. Eine Fristverlängerung darf es nicht geben, die Klimakrise wartet auch nicht."


Auf den rechten Weg

Eigentlich sollte die Kohlekommission in dieser Woche ihre Ergebnisse vorlegen, nun verzögert sich der Zeitplan. Greenpeace-Aktivisten protestierten: Schließlich drängt die Zeit.

Von Christina Bednarz, Greenpeace-Online, 26.11.18

„Ein unverantwortliches Spiel auf Zeit“, so nennt Greenpeace-Sprecherin Marion Tiemann die Verzögerung in der Kohlekommission. Bis kommenden Mittwoch, 28. November, wollte das Gremium eigentlich seinen Abschlussbericht vorlegen; nun geht es auf Drängen der ostdeutschen Kohleländer Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt in die Verlängerung, und zwar bis voraussichtlich Ende Januar oder gar Anfang Februar. Doch jede Nachspielzeit gefährde den Schutz des Klimas und erhöhe die Unsicherheit der Menschen in den Kohlerevieren, kritisiert Tiemann. Zudem steht Deutschland für die Weltklimakonferenz, die am kommenden Montag im polnischen Kattowitz beginnt, nun mit leeren Händen da.

Aus diesem Grund protestierten Greenpeace-Aktivisten heute in Berlin vor der Sitzung der Kohlekommission im Bundeswirtschaftsministerium. Sie hatten einen knapp vier Meter hohen Pfahl aufgestellt, an dem verschiedene Wegweiser die Richtung von Wetterextremen des vergangenen Sommers in Deutschland anzeigten: Niedrigwasser im Rhein, Sturmschäden, Mangel an Trinkwasser. Denn die extreme Trockenperiode, die Ernteausfälle und Waldbrände auslöste, gab eine Vorahnung auf die Auswirkungen der Klimakrise.

Kohleausstieg bis 2030 abschließen

Die Zeit drängt also, deshalb ist die Kommission mit dem offiziellen Titel „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ seit Juni dieses Jahres damit befasst, einen Plan für den Kohleausstieg zu erarbeiten; zudem soll sie sozialverträgliche Zukunftsperspektiven für die betroffenen Reviere entwickeln.

Denn von seinem Klimaschutzziel ist Deutschland bislang weit entfernt; seit zehn Jahren stagnieren die Emissionen hierzulande auf hohem Niveau. Dabei ist der deutsche Beitrag zur Begrenzung der Erderhitzung auf 1,5 Grad durchaus machbar, hat Greenpeace in einem Energieszenario vorgerechnet.

„Nur wenn die Bundesregierung den Ausstieg aus der Kohleverfeuerung umgehend im Westen aber auch im Osten einleitet und bis spätestens 2030 abschließt, lassen sich die deutschen Klimazusagen auch einhalten“, sagt Martin Kaiser, Greenpeace-Geschäftsführer und Mitglied der Kohlekommission.

Es müssen also Ergebnisse her, und das so rasch wie möglich. Denn ab kommenden Montag sollen die Länder bei der Klimakonferenz ihre Pläne präsentieren. Die Kohlekommission muss deshalb noch diese Woche liefern. Und beweisen, dass Deutschland auf seinem Weg zu echtem Klimaschutz endlich den rechten Weg geht.


Generation kohlefrei

Jugendorganisationen großer Umweltverbände fordern Generationsgerechtigkeit in der Kohlefrage

WWF Pressemitteilung, 26.11.18

Vier große Jugendverbände haben am Montag von der Kohlekommission Generationsgerechtigkeit bei der Debatte um die Zukunft der Kohleverstromung gefordert. In einem gemeinsamen Papier betonen BUNDjugend, Naturfreundejugend, NAJU und WWF Jugend, dass der Erhalt natürlicher Ressourcen eine Verpflichtung gegenüber künftigen Generationen darstellt. Der Kohleausstieg ist von dieser Verpflichtung unmittelbar betroffen: Kohle ist in Deutschland der größte Einzelverursacher von CO2-Emissionen, die die Erderhitzung vorantreiben und unsere Lebensgrundlagen massiv gefährden.

Die Jugendverbände hatten mehrfach bei der Kohlekommission angefragt, um die Perspektive der jungen Generationen in die Debatte einzubringen – die am stärksten von den Entscheidungen betroffen sein werden. Trotz wiederholter Anfrage blieb eine Reaktion jedoch aus. Mit ihrem Forderungspapier wollen die Jugendlichen die Kohlekommission nun endlich für die Belange der nachfolgenden Generationen sensibilisieren, bevor die Kommission ihre finalen Ergebnisse vorlegt.

Das Verbändebündnis fordert unter anderem den sofortigen Genehmigungsstopp neuer Kohlekraftwerke und Tagebau sowie die Stilllegung der dreckigsten Kraftwerksblöcke bis Ende 2020. „Für alle Entscheidungen und gesetzlichen Maßnahmen, die die Kommission trifft, fordern wir einen Jugendcheck als Instrument, um die Folgen der durch die Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen auf junge Menschen zwischen 12 und 27 Jahren zu überprüfen“, heißt es außerdem in dem Papier. Auch den sozialverträglichen Wandel in den Kohleregionen rücken die Verbände in den Fokus: „Gerade junge Menschen brauchen eine Perspektive in den Regionen, in denen sie sich zuhause fühlen, und ihr Kommen bzw. Bleiben ist essentiell für eine gute regionale Entwicklung.“

Die Übergabe des Papiers vor dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wurde begleitet von einer Schul- und Unistreik-Aktion, zu der die Jugendorganisationen aufgerufen hatten. Die Idee stammt von der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg, die auf diese Weise auf die Versäumnisse beim Klimaschutz seitens der Politik aufmerksam gemacht hat. Auch die Jugendverbände in Deutschland erhoffen sich von dieser Aktion Gehör für ihre Botschaft: „Wir streiken, bis ihr handelt.“ Sie werden sich im Rahmen der Weltklimakonferenz in Polen und der Ausgestaltung des Klimaschutzgesetzes im kommenden Jahr weiter für mehr Klimaschutz einsetzen und rufen u.a. zur Teilnahme an den großen Demonstrationen in Köln und Berlin am 1.12. auf.


Europäische Dreckschleudern

Europas dreckigste Kohlekonzerne sitzen in Deutschland, zeigt eine Greenpeace-Studie. Kraftwerke von RWE und Uniper bedrohen die Gesundheit vieler Menschen.

Von Anja Franzenburg, Greenpeace-Online, 20.11.18

Es ist das alte Spiel: Unternehmen kassieren Gewinne, den Schaden tragen andere. In diesem Fall zahlt die Bevölkerung Europas – mit ihrer Gesundheit und ihrem Geld. Denn neben klimaschädlichem CO2 stoßen Kohlekraftwerke gesundheitsschädliche Stoffe aus, Feinstaub etwa, Schwefeldioxid, oder Stickoxide, aber auch Quecksilber und andere giftige Schwermetalle. Das macht nicht nur krank, es führt durch krankheitsbedingte Arbeitsausfälle auch zu volkswirtschaftlichen Kosten.

Insgesamt betreiben noch 103 Unternehmen Kohlekraftwerke in der EU. Zehn von ihnen verursachten im Jahr 2016 mit ihren Meilern zwei Drittel aller Gesundheitsschäden durch Kohlekraftwerke. Vier dieser zehn größten Verschmutzer sitzen in Deutschland, so das Ergebnis der neuen Greenpeace-Studie „Der letzte Atemzug“. Der Energiekonzern RWE belegt den traurigen Spitzenplatz, gefolgt von EPH, jenem Konzern, der heute die früheren Vattenfall-Kraftwerke in der Lausitz betreibt. Auf den Plätzen fünf und acht liegen die deutschen Unternehmen Uniper und Steag.

Problem Feinstaub

Dass Deutschland so prominent vertreten ist, wundert nicht. Kein anderes Land in Europa verbrennt mehr Kohle. Zudem hat die Bundesregierung in den vergangenen zehn Jahren kaum etwas unternommen, um die Luftverschmutzung durch Kohlekraftwerke zu verringern.

Die Studie zeigt die Kosten der gesundheitlichen Auswirkungen von Feinstaub-, als auch Schwefeldioxid und Stickoxidemissionen. Letztere reagieren in der Luft mit Ammonik; dadurch entstehen besonders kleine lungen- und das Kreislaufsystem schädigende Feinstaubpartikel. Das Einatmen dieser Partikel schädigt Herz und Atemwege – erst recht, wenn Menschen ihnen über einen langen Zeitraum ausgesetzt sind.

„RWE und andere Kohlekonzerne handeln doppelt rücksichtslos“, sagt Greenpeace-Sprecher Christoph Lieven. „Während ihre Kraftwerke mit Klimazerstörung Geld verdienen, lassen sie die Bevölkerung für Asthmafälle, Herzinfarkte und Diabeteserkrankungen zahlen.“ Die Bundesregierung könne, so Lieven, mit einem raschen Kohleausstieg Gesundheit und Klima schützen.

72.000 Tage Asthma

Denn allein die vier deutschen Unternehmen in Europa verantworten etwa 4200 vorzeitige Todesfälle, 72.000 Tage an denen Kinder Asthma-Symptome zeigten und mehr als eine Million Krankheitstage. Die Kosten für gesundheitliche Schäden, die allein RWE verursacht, und die von den Betroffenen und der Gesellschaft getragen werden müssen, liegen bei 48 Euro pro Megawattstunde – derselbe Betrag, den RWE derzeit für den Verkauf einer Megawattstunde einnimmt. Die Einnahmen erhalten allerdings allein die RWE-Eigentümer.

Die dreckige Luft aus Kohleschloten verursacht also nicht nur menschliches Leid, sondern auch volkswirtschaftlichen Schaden – bis zu zwölf Milliarden Euro pro Jahr.

Die wahren Schäden und Kosten dürften allerdings um einiges höher sein, da die Studie viele Faktoren wie die Freisetzung von giftigem Quecksilber oder anderen Schadstoffe nicht berücksichtigt. Ganz zu schweigen davon, dass Kohle als Klimakiller Nummer Eins massiv die Klimakatastrophe vorantreibt und mit ihr Schäden durch Wetterextreme.

So formuliert der Report indirekt einen Auftrag an die Kohlekommission: Ein rascher Ausstieg aus der Kohle bremst nicht nur die Klimakrise, er schützt auch unsere Gesundheit.




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